Ein FSJ in Ghana Folge 38: Anna berichtet von ihrem Freiwilligendienst

Ein FSJ in Ghana Folge 38: Anna berichtet von ihrem Freiwilligendienst

Gruppenbild mit allen Freiwilligen und bezev-Koordinatorinnen auf unserem Zwischenseminar im Februar.

Vor eineinhalb Jahren erschien mein erster Blog; seitdem konntet ihr in mehr oder weniger regelmäßigen Berichten mehr darüber erfahren, was ich im Rahmen meines Freiwilligendienstes lerne, erlerne und verlerne. Allerdings kann ich nur aus einer sehr subjektiven, begrenzten Perspektive schreiben und dabei unmöglich die Vielfalt meines Gastlandes Ghana einfangen.

Das wurde mal wieder besonders deutlich während des obligatorischen Zwischenseminars im Februar, bei dem ich mehr über die diversen Erlebnisse und Meinungen anderer weltwärts-Freiwilliger lernen durfte: Um auch an dieser Stelle andere als meine Erfahrungen zu berichten, erzählt Anna heute ein bisschen über ihren Freiwilligendienst. 

Der Freiwilligendienst

„Ja, also ich bin eine ganz typische Abiturientin“, stellt Anna sich vor. In den letzten Jahren habe sie ihre Zeit hauptsächlich zwischen Schule und ehrenamtlicher Jugendarbeit verbracht. Und dann: „Ich habe das Abi abgeschlossen, noch einen richtig schönen Sommer gehabt und bin dann im September losgefahren.“ Ihr Ziel: Am besten „weit weg“ und mehr über andere Kulturen lernen.

Dabei sei ihr wichtig gewesen, eine kompetente Entsendeorganisation zu finden, denn „wenn ich eine coole Organisation habe, dann können auch alle anderen Sachen – egal wo auf der Welt – cool sein.“ Nun arbeitet sie seit einem halben Jahr in einem Projekt des Vereins Niedersächsischer Bildungsinitiativen e.V. (VNB) mit, welches praxisorientierten IT-Unterricht an öffentlichen ghanaischen Schulen anbietet. Gemeinsam mit Jugendlichen üben sie die grundlegende Nutzung von Hardware und Schreibprogrammen, darüber hinaus aber auch einfaches Coding und Programmieren. 

Anna wohnt zusammen mit drei anderen Freiwilligen in Kokrobite, das sie begeistert als „vom Christentum geprägtes vorstadtähnliches Greater Accra“ beschreibt. Hier würde sie einer „unfassbaren Gastfreundschaft“ begegnen und in ihrer Selbstsicherheit wachsen; letzteres würde auch damit zusammenhängen, dass sie innerhalb ihres Freiwilligendienstes unglaublich viel lerne: „Sowohl Sachen, die ich nur hier anwenden kann, aber darüber hinaus auch viel über mich und über meine Person in einem anderen, neuen Zusammenhang.“ Vor allem habe Anna gelernt, dass Ghana als auch Deutschland kompliziert seien, wenn man nicht mit dem System vertraut ist. Daher könne sie auch nicht davon ausgehen, ganz Ghana zu verstehen – inzwischen wisse sie aber immerhin ungefähr, wie sie mit ihrer Gemüseverkäuferin sprechen sollte. 

Anna

Das weltwärts-Programm

Auch ihr Blick auf Deutschland habe sich in den sechs Monaten verändert. Bedingt durch ihre persönliche Entwicklung, als auch durch die alltägliche Beschäftigung mit strukturellem Rassismus, könne sie nun viel differenzierter über Diskriminierungsstrukturen in Deutschland reflektieren. Dieses neue Verständnis, inklusive dem „Wissen, wie man auf dieses Thema bezogen lernt“, wolle sie jedenfalls auch ihrem privaten Umfeld nach dem Freiwilligendienst weitervermitteln. 

Vor dem Hintergrund globaler Machtgefälle hinterfragt Anna jedoch auch den Sinn ihres eigenen weltwärts-Freiwilligendienstes: Neben dem IT-Unterricht betreibe sie in ihrem Projekt hauptsächlich in den Bereichen Fundraising und Advertisement und merke dabei, „dass alles sehr auf Geldern basiert. Die meiste Zeit der Produktivität geht darauf hinaus, wie man mehr Produktivität schaffen kann, dadurch Gelder (aus dem Globalen Norden) akquiriert und dadurch weitere Freiwillige einstellt.“ 

Auch ihre Kritik am gesamten weltwärts-Programm sei im Laufe des Freiwilligendienstes gewachsen. Der Freiwilligendienst sei sehr exklusiv durch und für weiße Deutsche designt, was vor allem in Betracht auf die Teilnehmenden deutlich werde: Während Freiwillige aus Deutschland meist eine homogene Gruppe aus weißen Abiturient*innen seien, würde die Süd-Nord-Komponente weiterhin nicht ausreichend Aufmerksamkeit erhalten. (Der sogenannte Süd-Nord-Freiwilligendienst gibt Menschen aus dem Globalen Süden die Möglichkeit, einen Freiwilligendienst in Deutschland zu machen – allerdings beträgt dies weiterhin nur einen geringen Anteil aller weltwärts-Freiwilligen und die Teilnehmenden haben häufig finanzielle und bürokratische Schwierigkeiten.)

Trotz aller Kritik sagt Anna aber auch: „Ich merke, wie viel mir der Freiwilligendienst gebracht hat und ich glaube, mit einer guten Vorbereitung kann es noch vielen anderen Leuten viel mehr bringen.“ Daher wolle sie sich auch nach ihrem Auslandsjahr weiter in ihrer Entsendeorganisation VNB engagieren. Um langfristig einen inklusiveren, gerechteren Freiwilligendienst zu etablieren. 

Die Frage nach der Rechtfertigung bestünde zwar weiter – immerhin wird weltwärts zu großen Teilen über Steuergelder der Entwicklungspolitik finanziert und Anna meint: „Natürlich weiß ich, dass ich den Menschen hier nicht viel geben kann.“ Dennoch könne sie sich selbst verbessern, und das sei am Ende sowieso das einzige, was sie der Welt geben könne. „Einfach meinen Horizont zu erweitern.“

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