Ein FSJ in Ghana Folge 20: Verlängerung

Ein FSJ in Ghana Folge 20: Verlängerung

Tamale im Abendlicht, wenn die Fledermäuse ausschwärmen

Jetzt ist es offiziell: Ich bleibe länger!

Vergangene Woche hat weltwärts meinen Verlängerungsantrag bestätigt – dem ging allerdings ein langer Prozess und noch längere Gedankengänge voraus. Mit diesem Beitrag möchte ich euch so transparent und ehrlich wie möglich in meine Entscheidungsfindung mitnehmen.

Verlängerungsantrag

Erst einmal von vorne: Mit weltwärts können junge Menschen für sechs Monate bis zu zwei Jahren einen Freiwilligendienst in einem Land des Globalen Südens machen. Ursprünglich war geplant, dass ich bis August in meiner Einsatzstelle Norsaac assistiere – und tatsächlich habe ich das erste Mal ernsthafter über eine Verlängerung nachgedacht, als ich mein Rückflugticket in der Hand hatte: Ausreise am 29. August.

In diesem Moment bedauerte ich vor allem, wie nahe August schon war. Und ich begann, dieses Bedauern in Worte zu fassen: Ich tauschte mich mit anderen Freiwilligen in Ghana aus, die meine Situation wohl am besten verstehen und teilweise vor der gleichen Entscheidung standen. Ich diskutierte beim Zwischenseminar mit meiner Entsendeorganisation. Und ich suchte die bereichernde und gleichzeitig herausfordernde Kommunikation nach Deutschland.

Nach ein bisschen Hin und Her entschied ich mich dann am 14. März erstaunlich eindeutig für das Hin und eine Verlängerung auf eineinhalb Jahre bis Mitte April 2023.

Rückkehr

Am Anfang meiner Gedanken stand immer die Frage „Was bedeutet Rückkehr?“

Die Kommunikation mit Zuhause ist nicht immer einfach.

Rückkehr bedeutet vor allem erst einmal, meine Familie wiederzusehen, meine Freund*innen, all die Menschen, mit denen ich für lange nur online kommunizieren konnte. Zudem all die Dinge wieder zu machen, die ich vermisse: auf Konzerte gehen, im Park sitzen, Kuchen backen und essen, Gitarre spielen…

Zwischen dem ganzen Wiedersehen und Wieder-Machen, beziehungsweise durch die Rückkehr in die deutsche Gesellschaft, rechne ich allerdings auch mit einem gewissen Kulturschock. Denn je länger ich bleibe, desto mehr lebe ich mich hier in (Nord-) Ghana ein. Je mehr ich mich einlebe, desto stärker prägt und verändert mich der Freiwilligendienst. Und je mehr ich mich verändere, desto seltsamer wird es, in mein altes Umfeld zurückzukehren.

Zurück in Deutschland werde ich wahrscheinlich umziehen, studieren, mich engagieren. Das heißt einerseits, dass ich einen weiteren Lebensabschnitt mit neuen Erfahrungen beginnen kann. Andererseits ist verschoben nicht aufgehoben, weshalb ich diesbezüglich kein Gefühl von Zeitdruck verspüre.

Bleiben

Als ich das Flugticket sah, fühlte ich eine Art Zeitdruck; ich möchte noch unglaublich viel sehen und lernen und gleichzeitig meinen Alltag hier weiterführen. Alltag bedeutet mehr als meine tägliche Routine, er ist auch das Gefühl, in Tamale zu wohnen, zu leben und Teil zu sein. Sowohl die Routine als auch das Lebensgefühl enden, sobald ich abreise, und werden in dieser Weise auch sicherlich nie wieder eintreten. Kurz gesagt: Mir wurde bewusst, dass meine Erfahrungen hier auf Zeit sind.

Gleichzeitig ist mir aber auch bewusst, dass es früher oder später Zeit für Abschied sein wird. Das wurde somit zu meiner Kernfrage: Zögere ich mit einem Verlängerungsantrag nur den Abschied und eine Entscheidung über meinen weiteren Lebensweg hinaus? Oder warum möchte ich eigentlich bleiben?

Die Antwort darauf ist vielseitig und beginnt mit meiner Dankbarkeit gegenüber der Wärme und Offenheit, die mich täglich begleiten. Ich schätze meine Freundschaften, die beiläufigen Witze und grundlegenden Gespräche, die vielen kleinen schönen Gesten.

Frische Kokosnuss: zuerst trinkt man das Wasser aus einer kleinen Öffnung oben, anschließend kann man das Fruchtfeisch aus der aufgeschlagenen Nuss löffeln.

Ich möchte auch bleiben wegen ganz banaler Dinge: Da sind die frisch gepflückten Mangos, frittierte Kochbananen und Sachet-Water (Wasser aus der Tüte). Das ist der warme Fahrtwind, wenn ich hinten auf dem Motorrad sitze und hinter mir die Sonne untergeht. Und in dieser Hinsicht muss ich wohl auch einfach zugeben, dass ich das ghanaische Klima dem deutschen Winter vorziehe.
Darüber hinaus habe ich allerdings auch nachhaltigere Gründe zum Bleiben, allen voran das tägliche Lernen. Das war zu Beginn des Freiwilligendienstes natürlich viel spektakulärer und offensichtlicher als in meinem routinierten Alltag. Mir wurde jedoch auch bewusst, dass ich insbesondere durch diese Routine noch viel tiefergreifendere Erfahrungen machen kann: Eine Verlängerung erfordert, dass ich mich noch mehr auf mein Leben hier einlasse, dass ich Herausforderungen nicht verdränge, sondern Initiative ergreife und dass ich mich viel mehr selbst motivieren muss.

Schon im vergangenen halben Jahr habe ich zudem einige Veränderungen an mir persönlich bemerkt: Ich wurde entspannter, insbesondere gegenüber mir selbst. Ich übe, mit weniger Erwartungen an eine Situation heranzugehen und lerne dadurch, andere Perspektiven nachzuvollziehen und zu verstehen. Und schließlich bin ich hier häufiger darauf angewiesen, meine Interessen eindeutig zu kommunizieren. Indem ich bleibe, setzt ich mich demnach weiterhin Situationen aus, die mich positiv beeinflussen.

Mein Bauch hatte die Entscheidung zur Verlängerung schon lange gefällt. Es fiel mir allerdings lange schwer, diese Überlegungen in Worte zu fassen und auch rational zu erklären. Ich bin dankbar, dass mir so viele Menschen in diesem Prozess geholfen haben – und mir gleichzeitig ermöglichten, eine eigene Entscheidung unabhängig von Anderen zu fällen. Außerdem hoffe ich, euch mit dieser sehr persönlichen Einsicht heute in den Prozess mitnehmen zu können.

Alles in allem ist der Freiwilligendienst ein großes Privileg und ich bin jetzt gespannt, was noch kommt!

Meine Partner:    weltwärts      bezev e.V.     Norsaac

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