Ein FSJ in Ghana Folge 25: Rück- und Ausblick

Ein FSJ in Ghana Folge 25: Rück- und Ausblick

Tamale als zweites Zuhause; auch wenn so vieles anders ist, bin ich froh über jeden Tag

Der 29. August ist inzwischen verstrichen – und damit auch mein ursprüngliches Ausreisedatum. Derzeit befinde ich mich zwischen Ankunft und Aufbruch, die Verlängerung bringt einige Veränderungen mit sich und allgemein ist gerade viel los. Höchste Zeit für ein bisschen Reflexion über meinen bisherigen Aufenthalt in Ghana, sowie für einen kurzen Ausblick in die kommenden acht Monate.

Reflexion

Auch wenn die elf Monate wie im Flug vergingen, ist unglaublich viel passiert. Ich habe Geburtstage verpasst und einen heißen Sommer voller Konzerte und Seebesuche. Weihnachten war auch gar nicht so weihnachtlich und ab und zu vermisse ich zuhause.

Dafür habe ich letztes Jahr zum ersten Mal Eis an Silvester verschlungen (Folge 9). Ich durfte Ramadan, Zucker- und Opferfest in einer mehrheitlich muslimischen Stadt erleben (Folge 22). In meinem Projekt sind wir mit jungen Aktivisti durch die Stadt gezogen (Folge 21) und meine Einsatzstelle Norsaac feierte ihr 20-jähriges Jubiläum. Gleich zweimal bekam ich Besuch aus Deutschland und ich hatte das Glück, mehrere tolle Reisen zu machen.

Fest steht, dass ich jede einzelne Erfahrung des letzten Jahres wertschätze. Das sind diese greifbaren Highlights, genauso wie all die „kleinen“ oder unbeschreiblichen Situationen. Ich schätze die Freundschaften und inspirierenden Bekanntschaften wert, die ich machen durfte. Ich schätze all die Situationen wert, in denen ich verwirrt, überfordert oder verloren war, und eine Person sich meiner angenommen hat. Ich bin dankbar für all die Einblicke, die ich bisher in verschiedenen Kulturen erhalten durfte: In die lokale Sprache Dagbani, die Kreolsprache Pidgin und mein eigenes spoken English with Ghanaian accent. In verschiedene Gerichte und die nette Einladung „you’re invited“, wann immer jemand isst. Einblicke in die Geschichte von Menschen, Orten und Traditionen.

Ein tägliches, für mich unverzichtbares Highlight sind die Ziegen – sie klettern auf alles mögliche, kämpfen mit Hunden oder schlafen im Stehen. Hier retten sich zwei Babyziegen vor dem Regen…

Dazu gehören auch zahlreiche Einblicke in die Kolonialgeschichte Ghanas. Während die deutsche Mehrheitsgesellschaft das grosse Privileg hat, globale koloniale Machtstrukturen ignorieren zu können, sind diese hier unübersehbarer Teil des täglichen Lebens. Aus meinem Freiwilligendienst nehme ich daher nicht nur schöne Erlebnisse, sondern auch zahlreiche Erkenntnisse und noch mehr Fragen mit.

Diese Erfahrungen prägen mich natürlich, und so durfte ich im letzten Jahr auch einige Veränderungen an mir selbst mitverfolgen: Ich lerne, andere Perspektiven nachzuvollziehen. Dazu gehört, dass ich mich und mein Umfeld weniger schnell bewerte. Ich lerne, das Verhalten anderer Menschen zu verstehen und respektvoll zu adressieren. Gleichzeitig lerne ich auch, in mich hineinzuhören, meine Bedürfnisse zu priorisieren und meine Meinung klar zu kommunizieren. Mich mal gegen etwas zu entscheiden oder nach Hilfe zu fragen. Im letzten Jahr wuchsen meine Selbstständigkeit sowie mein Selbstbewusstsein.

Neuerungen

Verlängerung bedeutet nicht gleichzeitig Kontinuität. Im Gegenteil! Seit Anfang September hat sich mein Leben noch einmal grundlegend verändert: Haupsächlich ist das wohl durch meinen Umzug begründet. Bisher wohnte ich bei einer Gastfamilie, jetzt lebe ich mit meinem Freund zusammen. Bereits im Juni fanden wir eine Einzimmerwohnung mit Bad zur Miete. Inzwischen ist gestrichen, geputzt und (zumindest teilweise) eingerichtet. Umgezogen bin ich dann Ende August und tatsächlich musste ich ein bisschen mit meinem Gepäck kämpfen, das aus mir unerschließlichen Gründen unsagbar viel und untragbar schwer wurde…

Mein Gepäck ist größtenteils unverletzt in der neuen Wohnung angekommen – herzlich Willkommen!

Noch ist nicht fertig eingerichtet, und mein neuer Alltag nicht vollständig koordiniert; ich kaufe jetzt selbstständig ein und koche wieder für mich. Während ich bei meiner Gastfamilie eine Waschmaschine benutzte, wasche ich nun mit der Hand. Mein Arbeitsweg reduziert sich nun auf eine halbe Stunde hin und zurück, zuvor nutzte ich eine komplette Stunde einfach. Die größte Änderung ist wohl, dass ich mir meine Zeit jetzt komplett selbst einteilen kann. Diese Freiheit ist zwar noch ein wenig ungewohnt, aber auf jeden Fall ein willkommener Wechsel und ich fühle mich zuhause angekommen.

Eine weitere Veränderung, die zeitgleich mit meiner Verlängerung eintraf, ist meine neue Mitfreiwillige. Die kommenden Monate werden wir beide bei Norsaac als Praktikantinnen arbeiten und ich bin überzeugt, dass wir uns auch darüber hinaus wertvollen Austausch und gegenseitige Unterstützung geben können. Gleichzeitig bin ich jetzt aber auch nicht mehr die einzige weltwärts-Freiwillige bei Norsaac, beziehungsweise in Tamale. In nächster Zeit werde ich daher sicherlich meine Rolle, die ich in den letzten Monaten für mich gefunden habe, noch einmal aus anderer Perspektive reflektieren.

Mit dem Beginn der neuen weltwärts-Saison wechseln natürlich auch die Freiwilligen in anderen Einsatzstellen. In den vergangenen Wochen schrieb ich daher viele Abschiedsnachrichten an diejenigen Freiwilligen, die ich im letzten Jahr kennenlernen durfte. Zurück kamen sowohl Freudesnachrichten über deutsches Essen, als auch viel Melancholie.

Die letzte große Neuerung findet ebenfalls auf meiner Einsatzstelle statt, ich wechsel nämlich meine Chefin. Durch meine inzwischen fast einjährige Erfahrung im Programm Power to You(th) (Folge 21) darf ich nun bei der Koordination auf nationaler Ebene assistieren. Das ehrt mich natürlich sehr und ich freue mich auf die engere Arbeit mit meiner Chefin. Was da genau auf mich zukommt berichte ich aber in einem späteren Bericht.

Ausblick

Auch die kommenden Monate darf ich euch weiterhin mit zwei Blogeinträgen pro Monat auf dem Laufenden halten. Danke für euer anhaltendes Interesse und Feedback!
Ich bin auch unglaublich dankbar für all die Unterstützung, die ihr mir bewusst oder unbewusst gebt. Auch wenn ich manchmal von Situationen überfordert bin, habe ich mich die letzten Monate niemals einsam gefühlt. Danke, dass ihr mich während dieses großen Privilegs „Freiwilligendienst“ begleitet.

Bis bald!

Meine Partner:    weltwärts      bezev e.V.     Norsaac

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