Ein FSJ in Ghana Folge 32: Popkultur

Ein FSJ in Ghana Folge 32: Popkultur

„The UK has no input in Afrobeat. Let me make myself very clear. The UK has no influence in the creation or naming or anything that has to do with Afrobeat roots or beginnings. […] Afrobeat is one person and one person only and that is Fela Anikulapo Kuti, every other person does Afro-pop or whatever but not Afrobeat.” (Burna Boy)

„Afrobeat“ geht auf die Musikikone der 1970er Jahre Fela Kuti zurück und ist nicht zu verwechseln mit „Afrobeats“, einem Überbegriff für modernen Afro-Pop. Weiterhin stark mit ihrer Gesellschaft und Geschichte verwurzelt, möchte ich mich in diesem Beitrag (ohne allzu tiefes Vorwissen) der einzigartigen, lebendigen Popkultur Westafrikas von heute widmen und dabei auch auf ihre transnationalen Einflüsse eingehen. 

Die Künstlerin Etornam produziert in Tamale und hat letztes Jahr ihre EP veröffentlicht.

Ghanaische Musik

Zu Beginn meines Aufenthaltes fiel es mir schwer, einzelne Lieder auseinander zu halten; markante Beats, Stimmen im Autotune, überwiegend männliche Künstler. Heruntergebrochen handeln die gerappten Geschichten meist von Beziehungen oder von Armut/ Reichtum, aber so viel Text habe ich anfangs auch noch gar nicht verstanden. 

Mit der Zeit wurde mir jedoch bewusst, dass oft sowieso die gleichen Songs gespielt werden – im öffentlichen Nahverkehr, in Läden und als Klingelton. Außerdem glaube ich, nach und nach einige regionale Unterschiede zu bemerken: Die Musik aus Südghana erinnert mich häufig ein wenig an Gospel, während die nördlichen Beats etwas schneller sind. Falls ihr mal die lokale Sprache Dagbani hören möchtet, könnt ihr gerne in Tamales bekannteste Künstler Maccasio und Fancy Gadam reinhören – überregionale Berühmtheit erlangen aber hauptsächlich Künstler aus dem Süden. In 2022 waren das beispielsweise die Rapper Sarkodie oder Black Sherif, letzterer wird spätestens nach seinem letztes Jahr veröffentlichten, ersten Album „The Villain I Never Was“ als herausragendes Talent gefeiert. 

Frauen hingegen haben auch hier viele Herausforderungen, um mit ihrer Musik berühmt zu werden; die Künstlerin Etornam betont immer wieder die hinderliche Musikindustrie und singt in ihrer EP „Woman Diary“ über die gesellschaftliche Ungleichbehandlung von Männern und Frauen.

Zur Popkultur gehört neben Musik und Tanz natürlich noch weit mehr – unter anderem Literatur. In der Art Gallery in Tamale kann ich auf wunderbare Schwarze Literatur zugreifen und lese gerade „Americanah“ der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie.

Nigerianische Einflüsse

Das westafrikanische Musikmonopol liegt hingegen klar in Nigeria. Fast alle Hits und Trends finden ihren Ursprung in „Naija“: Hier musizieren Wizkid, Fireboy DML, die Künstlerin Ayra Starr und Omah Lay, letzterem widmete ich 2022 laut Spotify über 2.000 Minuten meines Lebens. Der Künstler Kizz Daniel veröffentlichte hier die wohl meistgefeierten Songs „Buga (Lo Lo Lo)“ und „Cough (Odo)“. Und die neue Bekanntheit des oben genannten ghanaischen Künstlers Black Sherifs lässt sich wohl größtenteils auf sein Feature mit dem „African Giant“ Burna Boy zurückführen; der Grammy-Gewinner thematisiert in seinen Liedern auch immer wieder (neo-) koloniale Machtstrukturen und veröffentlichte erst kürzliche die Dokumentation „Whiskey“ zu den verheerenden Überschwemmungen 2022 als Folge der im globalen Norden verursachten Klimakrise. 

Die nigerianische Musikindustrie ist weit über eigene Ländergrenzen bekannt und profitiert dabei wohl gleich von mehreren Faktoren: Nigeria verfügt durch seinen Reichtum an fossilen Ressourcen sowie als bevölkerungsreichter Staat Afrikas mit Bürger*innen überall auf der Welt automatisch über eine internationale Stimme. Mein nigerianischer Freund Samuel betont außerdem, dass die Songs seines Heimatlandes meist in Englisch und/ oder der englischen Kreolsprache Pidgin verfasst sind und somit transnational verständlich seien. Künstler*innen würden die zahllosen Inspirationen im Land nutzen und damit lebensnahe Texte schaffen: Beispielsweise finde Samuel in Musik die Motivation zum „Hustlen“. 

Neben den Texten spielen im Afro-Pop jedoch auch die Beats eine große Rolle: Sogenannten „Talking-Drums“ nachempfunden, spreche laut Samuel jeder Beat entsprechend zu dem Liedtext. Zu diesen Beats wird haufig sogenannter Legwork/ Zanku getanzt, dieser Trend geht insbesondere auf den Street-Künstler Zlatan zurück (Zanku ist dabei ein Akronym für „Zlatan Abeg No Kill Us“). Seit 2018 gingen dann immer mehr und immer raffiniertere Schrittabfolgen gemeinsam mit Musikvideos und Social Media-Trends viral. Alle Legworks haben gemeinsam, dass die Hauptbewegung aus den Beinen kommt; beim beliebten „Happy Feet“ zum Beispiel wird laut Samuel beispielsweise ein auf der Stelle fliegender Schmetterling imitiert, deshalb heiße der Tanz auch „Butterfly“-Legwork. 

Wer in Tamale nach zeitgenössischer Kunst sucht, stößt relativ schnell auf den Künstler Ibrahim Mahama. Aktuell stellt er in der Art Gallery eine Sammlung an Fotos aus, welche Ghana in den Jahren nach seiner Unabhängigkeit zeigen.

Globale Einordnung 

Abschließend möchte ich noch meinen Eindruck teilen, dass westafrikanische Popmusik zunehmend Einfluss in der westlichen, weiß dominierten Musikszene gewinnt: Über TikTok und Social Media-Trends finden immer mehr Lieder ihren Weg bis hin in deutsche Wohnzimmer und sogar Discos; an dieser Entwicklung nehmen nun auch immer mehr westliche Künstler*innen teil, am prominentesten darunter sind wohl die zahlreichen Features, die Justin Bieber und Ed Sheeran im letzten Jahr mit nigerianischen Top-Künstlern wie Burna Boy, Wizkid oder Omah Lay aufgenommen haben. Aber auch Peter Fox schrieb nach dem Release seiner ersten Single vor über zehn Jahren, dass die Beats in „Zukunft Pink“ unter anderem von westafrikanischer Musik beeinflusst wurden. 

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