Ein FSJ in Ghana ist zu Ende: Ankunft und Ankommen

Ein FSJ in Ghana ist zu Ende: Ankunft und Ankommen

Willkommen zurück in Deutschland!

Eine Mitfreiwillige aus Ghana beschrieb kurz nach ihrer Rückreise das Gefühl, all ihre Auslandserfahrungen würden in einen halben Koffer passen. Auch für mich rückt der Freiwilligendienst erstaunlich schnell in den Hintergrund – meine Erlebnisse, meine Bekannten und mein Lebensgefühl in Ghana sind nur noch verblassende Erinnerungen. 

Zurück in Deutschland ecke ich jedoch immer wieder an, insbesondere an mir selbst. In diesem letzten Beitrag möchte ich deshalb darüberschreiben, welche Spuren die 560 Tage meines weltwärts-Freiwilligendienstes bei mir hinterlassen.

Kulturschock „reverse“

Mein sogenannter Kulturschock kündigt sich eher harmlos an, indem ich wieder und wieder über meine Angewohnheiten aus Ghana stolpere: Ich werfe Klopapier in den nebenstehenden Mülleimer anstatt in die Kloschüssel. Zwiebeln und Tomaten schneide ich in der Luft, sodass das Brettchen beim Kochen nutzlos daneben liegt. Und wenn jemand niest oder sich den Fuß stößt, entschuldige ich mich, auch wenn mich gar keine Schuld trifft. 

Neben diesen unbewussten Gewohnheiten erlebe ich aber auch ganz bewusste Irritationen: Ich wundere mich über die leeren Straßen und toten Fassaden. Gleichzeitig fühle ich mich im überfüllten Zug unwohl, weil selbst hier eine unwirkliche Stille herrscht. Und ganz besonders deutlich wird mir diese deutsche Anonymität im öffentlichen Raum immer dann, wenn ich niemandem zu meinem Essen einladen kann.

Eine große Umarmung…

Eineinhalb Jahre Abstand

Nach 18 Monaten Abwesenheit muss ich mich immer wieder aktiv erinnern: Wie sehen deutsche Geldscheine aus? Wie grüße ich angemessen? Wann grüße ich? Meine Abwesenheit wird mir zudem an den begrenzten Informationen aus meinem deutschen Umfeld bewusst. Die Zeit stand auch hier nicht still, sodass ich mich erst an menschliche sowie (infra-) strukturelle Veränderungen gewöhnen muss. Um nur ein Beispiel zu nennen: Ich spüre hier weiterhin das starke Bedürfnis, eine Maske zu tragen – weil es zur Zeit meiner Ausreise nicht ohne ging.

Während die Erinnerungen recht schnell wieder kommen und sich die Informationslücken allmählich schließen, empfinde ich durch die eineinhalb Jahre Abstand aber auch eine gewisse Distanz. In Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen in Deutschland und die meist unterbewussten Normen und Werte, die unser Zusammenleben hier prägen. Durch meinen kleinen Perspektivwechsel werden mir diese kulturellen Eigenheiten nun bewusst; beispielsweise die allbekannte Tugend, frühzeitig alles durchzuplanen, oder der Hang dazu, alles bis ins kleinste Detail zu besprechen, zu diskutieren, zu analysieren… Und ich bewerte zuvor selbstverständliche Normen mithilfe dieser differenzierteren Sicht für mich neu. 

Darüber hinaus lässt sich diese empfundene Distanz auch darauf zurückführen, dass ich mich in den 18 Monaten meines Freiwilligendienstes deutlich verändert habe. Ich konnte mich neu definieren und habe ein spontaneres, sensibleres Ich gewählt. Ich wurde selbstständiger, selbstbewusster und auch mir selbst bewusster. 

…und Luftküsschen für alle, die mich in Ghana und Deutschland unterstützen!

Schlusswort

Mein Ankommen ist mal erleichternd und mal einsam – und dennoch hoffe ich, dass es ein unaufhörlicher Prozess des Lernens und Erinnerns bleibt. Auch wenn mein Freiwilligendienst stückweise an Greifbarkeit verliert und seine Konturen verschwimmen, so ist er doch weiterhin in mir verinnerlicht. Als eine parallele Perspektive oder als ein fundiertes Interesse an Globaler Gerechtigkeit. Und als ein Anliegen, mich weiterhin in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zu engagieren. 

Mein weltwärts-Freiwilligendienst als Teil der bundespolitischen Agenda für nachhaltiges Lernen und Entwicklung endet jedoch vorerst, und somit findet auch der Blog mit dieser Folge ein Ende. Auch wenn ich immer nur aus einer subjektiven Perspektive schreiben konnte und meine Erfahrungen nicht repräsentativ für Tamale, Ghana oder die Erlebnisse anderer Freiwilliger stehen, so hoffe ich doch, euch einen kleinen Einblick in mein Leben ermöglicht zu haben. Mir hat das Schreiben jedenfalls stets eine große Freude bereitet und ich danke allen, die meine Reise mitverfolgt haben. Euer Interesse und eure Unterstützung waren stets wertvoll und ich hoffe, dass ihr weiterhin offen in die Welt hinausgeht, um zu lernen, zu reflektieren und zu hinterfragen. 

Auch wir von der Redaktion JOB & CHANCEN haben die Reise mit Annika sehr gerne begleitet und bedanken uns bei ihr für all die Eindrücke, die sie uns vermittelt hat.

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