Auf alle Traditionen wollte ich nicht verzichten und genoss die Vorweihnachtszeit mit Plätzchen, Adventskranz und -kalender. Am Heiligabend wurde es bei Fertignudeln und Kerzenlicht richtig gemütlich.
Bei mir neigen sich derzeit eineinhalb Monate Feierlichkeiten dem Ende zu – darunter waren Weihnachten und Silvester, an denen ich deutsche Traditionen und Gewohnheiten vermisst habe und gleichzeitig waren da zahlreiche Momente, in denen ich neue Einblicke erhalten durfte und von denen ich euch in diesem Beitrag gerne mehr erzählen möchte.
Das Jahr 2022 markierte das 20-jährige Jubiläum meiner Einsatzstelle Norsaac und die gesamte zweite Jahreshälfte über fanden kleinere und größere Aktionen dazu statt. Den Höhepunkt erreichte die Jubiläumsfeier zwei Tage vor Weihnachten in einem abendlichen Dinner. Neben leckerem Essen (inklusive Nachtisch, der aus einem ganzen gegrillten Perlhuhn bestand) wurden wichtige Reden zu Norsaacs Geschichte gehalten und wichtige Menschen wie der Ministerpräsident der Northern Region, ranghohe Chiefs und Geschäftsführer begrüßt.
Highlight: Während Norsaacs Jubiläumsfeier wurde ich sogar für meine Arbeit im Programm gewürdigt! Auf dem Foto seht ihr Samuel und mich im Jubiläumsstoff.
Viele der etwa 500 Gäst*innen trugen den Jubiläumsstoff, welcher extra für das Geburtstagsjahr entworfen und gedruckt wurde. Mit dem Kauf des Stoffes wird eine Säuglingsstation im benachbarten Distrikt Karaga unterstützt; dieses Projekt wurde anlässlich des 20. Geburtstags durchgeführt.
Der Ehe wird in Ghana ein hoher Wert beigemessen und allgemein lässt sich zwischen standesamtlicher, religiöser und traditioneller Hochzeit unterscheiden. Nach muslimischem beziehungsweise traditionellem Recht dürfen Männer mehrfach heiraten und insbesondere in Nordghana erstreben viele eine polygame Familie, um ihren Wohlstand abzusichern, sowie den Ehefrauen neben der Hausarbeit Zeit für eine bezahlte Arbeit zu ermöglichen.
Im deutschen Winter ist in Tamale die Hauptsaison für Hochzeiten – und ich habe die Ehre, zurzeit beinahe wöchentlich auf eine muslimische Hochzeit eingeladen zu sein. Inzwischen durfte ich sowohl auf der Seite der Braut als auch des Bräutigams mitfeiern und mit diesem Wissen versuche ich euch nun nach bestem Gewissen, ein paar Einblicke in die muslimisch-ghanaische Hochzeit zu geben:
Die Eheschließung gilt als eine Vereinigung von zwei Familien, dementsprechend findet die Verlobung meist im Kreise der Angehörigen statt. Die Familie des (zukünftigen) Ehemannes überreicht den vorher vereinbarten Brautpreis in Form von Geld und materiellen Äquivalenten. Mir wurde außerdem erklärt, dass dieser Anlass häufig für die Hochzeit nach traditionellem Gesetz genutzt wird.
Letztens hat Hafsah’s Schwester geheiratet. Wir haben uns dafür besonders Mühe mit unserem Outfit gegeben und bei den Vorbereitungen mitgeholfen.
Nach der Verlobung kündigt das Brautpaar seine Hochzeit mittels virtueller Einladung an, die von Bekannten auf WhatsApp als Status hochgeladen und möglichst weit geteilt wird. Wie bereits oben angedeutet, verbringt das Brautpaar seine Hochzeit größtenteils getrennt im jeweiligen Familienhaus; das bedeutet, Braut und Bräutigam empfangen ihre Gäst*innen getrennt. Dabei gilt aber stets die gleiche Hochzeitskulisse: Stühle unter großen Pavillons, eine prächtig dekorierte Fotowand, dazu die neuesten Songs aus großen Boxen.
Je nach finanziellen Mitteln kann eine Hochzeit bis zu vier Tage dauern und beginnt dann mit einem Moscheebesuch am Freitag. Der Samstag dient hauptsächlich dem Aufbau und der Vorbereitung in Erwartung auf den Höhepunkt: Mütter, Tanten und Schwestern stehen am Sonntag bereits gegen vier Uhr morgens auf (oder gehen erst gar nicht schlafen), um das Essen zu kochen und abzupacken. Gegen Mittag kommen nach und nach immer mehr Gäst*innen, um dem Brautpaar zu gratulieren; während auf beiden Seiten viel gegessen, geredet und fotografiert wird, kann man auf der Seite der Braut zusätzlich noch in regelmäßigen Abständen prächtige Kleider bestaunen: Die Braut kann bis zu einem Dutzend verschiedener Hochzeitskleider besitzen und verbringt in diesem Fall den größten Teil ihrer Hochzeit damit, sich umzuziehen und neu zu stylen. Während der Bräutigam gemeinsam mit seinen engen Bekannten das Familienhaus seiner Ehefrau bereits am Sonntag besucht, dient der Montag dazu, dass sich die Braut von ihrer Familie „verabschiedet“ und zu ihrem Mann umzieht.
Ghana ist international für seine feierlichen Beerdigungen und kunstvoll verzierte Särge bekannt; diese Kultur habe ich im muslimisch geprägten Tamale bisher nicht kennengelernt. Allerdings war ich zu Beginn des Jahres auf einer Beerdigung in Bolgatanga eingeladen: Die Schwiegermutter meiner Chefin ist vor zwei Jahren verstorben, allerdings durfte die Familie aufgrund der geltenden Corona-Maßnahmen keine angemessene Beerdigung feiern.
Dafür leiteten die Hinterbliebenen die Beerdigung zwei Jahre später mit dem sogenannten „Wake Keeping“ ein. Normalerweise können die Hinterbliebenen bei dieser Gelegenheit ein letztes Mal Abschied von dem oder der Verstorbenen nehmen und ihr Beileid bekunden. Diese Zeremonie kann teilweise sogar bis zum Morgengrauen andauern und wird dann von Musik und Trommeln begleitet.
Leider stießen einige Kolleg*innen und ich erst am Tag darauf zur Beerdigung. Während vormittags Reden und Predigten gehalten wurden, verabschiedeten sich am Nachmittag verschiedene Gruppen von der Verstorbenen. Da sie eine aktive und angesehene Frau in der Community war, waren darunter Frauen-, Tanz- und Trommelgruppen. Am Sonntag folgte ein Dankesgottesdienst und die Beerdigung endete gemeinsam mit der Woche in noch mehr Musik.
✉ Beitrag per Email versendenHier seht ihr mich in dem ersten Kleid, das ich in Ghana schneidern ließ.
Bunte Stoffe und prächtige Kleider prägen für viele das Bild „Afrikas“. Tatsächlich werden die gebatikten Stoffe inzwischen jedoch größtenteils im Ausland bedruckt und dann importiert. Die durch Tier- und Naturbilder inspirierten Muster tragen häufig keine tiefere Bedeutung oder sie geriet durch die kontinentale Verbreitung in Vergessenheit. Bei einem Aufenthalt in Ghana ist es jedoch wichtig zu wissen, dass schwarz-rote Stoffe ausschließlich für Beerdigungen reserviert sind und diese je nach Farbgewichtung den Bekanntschaftsgrad zur verstorbenen Person anzeigen.
Überall in der Stadt verkaufen Händler*innen ihre Stoffe als Meterware – zwei Yard reichen für ein Hemd oder eine Hose, für ein Kleid braucht man entsprechend mindestens vier Yard. Dafür muss man die Meterware aber erst in einen der geschäftigen Läden bringen, in denen Schneider*innen an Singer-Nähmaschinen ihrem Handwerk nachgehen. Unter professioneller Beratung kann man sich dort im ausliegenden Musterkatalog, oder mithilfe von Internetbildern einen schönen Schnitt aussuchen und kunstvolle Applikationen wie Bordüren, Stickereien oder Einnahten hinzufügen. Anschließend nimmt der oder die Schneider*in eine Handvoll Maße und bereits nach wenigen Tagen kann man zum Anprobieren und Abholen wiederkommen.
Der lokale, handgewebte Fugu-Stoff.
Auch traditionelle Kleidungsstücke werden nach Maß geschneidert, der Stoff wird hingegen handgewebt. Während Südghana für seine Kente-Webkunst berühmt ist, dominieren im Norden sogenannte Fugu-Stoffe: In beiden Fällen werden schmale Stoffstreifen von Hand gewebt und anschließend miteinander zu einem flächigen Stoff vernäht. Näher*innen schneidern die schlichteren Fugu-Stoffe anschließend von Hand zu Smocks, Kopfbedeckungen oder Kleidern, welche insbesondere zu feierlichen Anlässen getragen werden.
Immer mehr und insbesondere junge Menschen präferieren jedoch die „englische“ beziehungsweise westliche Kleidung. Auch wenn nicht alle angebotenen Hosen, T-Shirts und Kleider Second Hand sind, häufen sich in der Innenstadt doch bergeweise aussortierte Kleidung aus Europa – darunter auch viele mit deutschem Aufdruck von Sportvereinen, Junggesell*innenabschieden etc.
Diese sogenannten „Fosse“ sind preiswerte Schnäppchen für umgerechnet ein paar Euro und ruinieren zunehmend das inländische Handwerk der Schneiderei. In Ghana sind daher insbesondere Mitarbeitende in der Verwaltung und Öffentlichkeit dazu aufgefordert, freitags geschneiderte Stoffe zu tragen.
Beginnend im Kindergartenalter tragen Schüler*innen in Ghana eine geschneiderte Uniform – jede Schule gibt dabei die Kombination vor und entscheidet sich häufig für die Farbgebung „Bread and Tea“ (orange und braun). Die Schule kann man am Wappen erkennen, welches auf der Brust aufgenäht ist und zusammen mit dem Stoff direkt bei der Institution gekauft wird.
Doch auch über den schulischen Kontext hinaus gilt oft ein gewisser Dresscode: Anlässlich einer Hochzeit können Gäste im Vorhinein einen Stoff erwerben, welches das Hochzeitspaar selbst ausgewählt hat. Dieses Muster findet sich dann während der Hochzeit in allerlei Kleidungsstücken und in vielfältigen Ausführungen wieder. Ein weiteres Beispiel sind Kirchen, Schulen und andere Institutionen, die zu Jubiläumsfeiern häufig sogar einen eigenen Stoff entwerfen. Aber auch unabhängig von Festlichkeiten kaufen Bekannte gerne gleiche Kleidungsstücke als ein Zeichen der Vertrautheit.
Eine Nachahmnung der Marke „Bottega Venate“.
Egal ob geschneidert oder gekauft, in Ghana wird viel Wert auf die Sauberkeit und Unversehrtheit der Kleidungsstücke gelegt. Selbst Hosen werden in der Regel nicht öfter als einmal getragen, bevor sie in die Wäsche kommen; ausgeblichene oder löchrige Teile werden sofort entsorgt. Weiße Kleidung gilt als besonders edel, was vor dem staubigen Hintergrund nicht allzu überraschend ist. Im Sinne der Fast Fashion kaufen viele Menschen regelmäßig Stücke und reichen die älteren an Bekannte weiter. Besonders beliebt sind dabei Markenklamotten, wobei dabei in den seltensten Fällen Originale verkauft werden und man durchaus „Marken“ wie „Vercage“ oder „Abibas“ findet.
Meiner Meinung nach ist das der Fall, weil das äußerliche Aussehen gesellschaftlich eng mit finanziellen Mitteln – und somit auch der persönlichen Würde – verbunden ist. Ein gepflegtes Äußeres wird insbesondere dann wichtig, wenn nicht allzu viel Geld zu Verfügung steht und der Konsum dabei hilft, sich alternativ zur Armut zu definieren.
Besonders auffallend empfinde ich die Gepflegtheit in Bezug auf Schuhe. Während es in Deutschland teilweise sogar Trend ist, ausgelaufene Sneaker zu tragen, wasche ich hier meine Schuhe beinahe wöchentlich. Auffallend ist aber insbesondere die riesige Auswahl an „Slippern“: Bei den Sandalen gilt, je mehr Marken, Glitzer und Applikationen, desto besser!
In den meisten ghanaischen Haushalten wird die Wäsche mit der Hand gewaschen – Waschmaschinen gelten als teuer, stromintensiv und ineffektiv in der Säuberung. Diese Methode ist zwar zeit- und energieaufwändiger, andererseits aber eine sehr nützliche Grundlage und eigentlich auch gar nicht schwer. Du brauchst lediglich eine große Waschschüssel, einen zweiten Eimer und feste Seife. Ich wasche am liebsten T-Shirts und gehe dabei folgendermaßen vor: Ich tunke das Oberteil auf rechts gedreht in die mit Wasser gefüllte Waschschüssel. Dann lege ich die Halsöffnung flach auf meine linke Handfläche und seife großzügig ein. Anschließend reibe ich den Stoff mit ausreichend Wasser zwischen den Handballen – allerdings nicht über die Knöchel, da das zu offenen Stellen führen kann. Das Ganze wird dann entlang der Ärmel, unter den Armen und generell überall, wo es dreckig sein kann, wiederholt. Abschließend großflächig einseifen und das gesamte Oberteil ausdrücken.
Im zweiten Eimer wird das noch seifige Kleidungsstück mit frischem Wasser ausgewaschen, bevor es ausgewrungen, auf links gedreht und aufgehängt wird. Um den Stoff beim Auswringen zu schonen, halte ich die Daumen übrigens entgegengesetzt.
Hoffentlich sind meine Ausführungen plausibel und helfen euch auf der nächsten Reise, oder wenn mal ein Fleck in der Waschmaschine nicht rausgeht!
✉ Beitrag per Email versenden„The UK has no input in Afrobeat. Let me make myself very clear. The UK has no influence in the creation or naming or anything that has to do with Afrobeat roots or beginnings. […] Afrobeat is one person and one person only and that is Fela Anikulapo Kuti, every other person does Afro-pop or whatever but not Afrobeat.” (Burna Boy)
„Afrobeat“ geht auf die Musikikone der 1970er Jahre Fela Kuti zurück und ist nicht zu verwechseln mit „Afrobeats“, einem Überbegriff für modernen Afro-Pop. Weiterhin stark mit ihrer Gesellschaft und Geschichte verwurzelt, möchte ich mich in diesem Beitrag (ohne allzu tiefes Vorwissen) der einzigartigen, lebendigen Popkultur Westafrikas von heute widmen und dabei auch auf ihre transnationalen Einflüsse eingehen.
Die Künstlerin Etornam produziert in Tamale und hat letztes Jahr ihre EP veröffentlicht.
Zu Beginn meines Aufenthaltes fiel es mir schwer, einzelne Lieder auseinander zu halten; markante Beats, Stimmen im Autotune, überwiegend männliche Künstler. Heruntergebrochen handeln die gerappten Geschichten meist von Beziehungen oder von Armut/ Reichtum, aber so viel Text habe ich anfangs auch noch gar nicht verstanden.
Mit der Zeit wurde mir jedoch bewusst, dass oft sowieso die gleichen Songs gespielt werden – im öffentlichen Nahverkehr, in Läden und als Klingelton. Außerdem glaube ich, nach und nach einige regionale Unterschiede zu bemerken: Die Musik aus Südghana erinnert mich häufig ein wenig an Gospel, während die nördlichen Beats etwas schneller sind. Falls ihr mal die lokale Sprache Dagbani hören möchtet, könnt ihr gerne in Tamales bekannteste Künstler Maccasio und Fancy Gadam reinhören – überregionale Berühmtheit erlangen aber hauptsächlich Künstler aus dem Süden. In 2022 waren das beispielsweise die Rapper Sarkodie oder Black Sherif, letzterer wird spätestens nach seinem letztes Jahr veröffentlichten, ersten Album „The Villain I Never Was“ als herausragendes Talent gefeiert.
Frauen hingegen haben auch hier viele Herausforderungen, um mit ihrer Musik berühmt zu werden; die Künstlerin Etornam betont immer wieder die hinderliche Musikindustrie und singt in ihrer EP „Woman Diary“ über die gesellschaftliche Ungleichbehandlung von Männern und Frauen.
Zur Popkultur gehört neben Musik und Tanz natürlich noch weit mehr – unter anderem Literatur. In der Art Gallery in Tamale kann ich auf wunderbare Schwarze Literatur zugreifen und lese gerade „Americanah“ der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie.
Das westafrikanische Musikmonopol liegt hingegen klar in Nigeria. Fast alle Hits und Trends finden ihren Ursprung in „Naija“: Hier musizieren Wizkid, Fireboy DML, die Künstlerin Ayra Starr und Omah Lay, letzterem widmete ich 2022 laut Spotify über 2.000 Minuten meines Lebens. Der Künstler Kizz Daniel veröffentlichte hier die wohl meistgefeierten Songs „Buga (Lo Lo Lo)“ und „Cough (Odo)“. Und die neue Bekanntheit des oben genannten ghanaischen Künstlers Black Sherifs lässt sich wohl größtenteils auf sein Feature mit dem „African Giant“ Burna Boy zurückführen; der Grammy-Gewinner thematisiert in seinen Liedern auch immer wieder (neo-) koloniale Machtstrukturen und veröffentlichte erst kürzliche die Dokumentation „Whiskey“ zu den verheerenden Überschwemmungen 2022 als Folge der im globalen Norden verursachten Klimakrise.
Die nigerianische Musikindustrie ist weit über eigene Ländergrenzen bekannt und profitiert dabei wohl gleich von mehreren Faktoren: Nigeria verfügt durch seinen Reichtum an fossilen Ressourcen sowie als bevölkerungsreichter Staat Afrikas mit Bürger*innen überall auf der Welt automatisch über eine internationale Stimme. Mein nigerianischer Freund Samuel betont außerdem, dass die Songs seines Heimatlandes meist in Englisch und/ oder der englischen Kreolsprache Pidgin verfasst sind und somit transnational verständlich seien. Künstler*innen würden die zahllosen Inspirationen im Land nutzen und damit lebensnahe Texte schaffen: Beispielsweise finde Samuel in Musik die Motivation zum „Hustlen“.
Neben den Texten spielen im Afro-Pop jedoch auch die Beats eine große Rolle: Sogenannten „Talking-Drums“ nachempfunden, spreche laut Samuel jeder Beat entsprechend zu dem Liedtext. Zu diesen Beats wird haufig sogenannter Legwork/ Zanku getanzt, dieser Trend geht insbesondere auf den Street-Künstler Zlatan zurück (Zanku ist dabei ein Akronym für „Zlatan Abeg No Kill Us“). Seit 2018 gingen dann immer mehr und immer raffiniertere Schrittabfolgen gemeinsam mit Musikvideos und Social Media-Trends viral. Alle Legworks haben gemeinsam, dass die Hauptbewegung aus den Beinen kommt; beim beliebten „Happy Feet“ zum Beispiel wird laut Samuel beispielsweise ein auf der Stelle fliegender Schmetterling imitiert, deshalb heiße der Tanz auch „Butterfly“-Legwork.
Wer in Tamale nach zeitgenössischer Kunst sucht, stößt relativ schnell auf den Künstler Ibrahim Mahama. Aktuell stellt er in der Art Gallery eine Sammlung an Fotos aus, welche Ghana in den Jahren nach seiner Unabhängigkeit zeigen.
Abschließend möchte ich noch meinen Eindruck teilen, dass westafrikanische Popmusik zunehmend Einfluss in der westlichen, weiß dominierten Musikszene gewinnt: Über TikTok und Social Media-Trends finden immer mehr Lieder ihren Weg bis hin in deutsche Wohnzimmer und sogar Discos; an dieser Entwicklung nehmen nun auch immer mehr westliche Künstler*innen teil, am prominentesten darunter sind wohl die zahlreichen Features, die Justin Bieber und Ed Sheeran im letzten Jahr mit nigerianischen Top-Künstlern wie Burna Boy, Wizkid oder Omah Lay aufgenommen haben. Aber auch Peter Fox schrieb nach dem Release seiner ersten Single vor über zehn Jahren, dass die Beats in „Zukunft Pink“ unter anderem von westafrikanischer Musik beeinflusst wurden.
✉ Beitrag per Email versendenAm Eingang zum Immigration Office erinnert dieses Schild noch immer an die Corona-Pandemie. Inzwischen gilt die Maskenpflicht jedoch nicht mehr.
Willkommen in 2023! Erneut ist ein ganzes Jahr vorüber und in den vergangenen 365 Tagen ist mal wieder super viel passiert. Wie ihr dem Titel unschwer entnehmen könnt, möchte ich diese Gelegenheit deshalb für eine Jahreszusammenfassung nutzen – dies soll allerdings kein persönlicher Rückblick, sondern vielmehr eine Übersicht über die meistdiskutierten Themen in Ghana werden.
Da ich selbst leider nicht immer so viel Zeit für nationale (und globale) Nachrichten fand, wie ich gerne hätte, musste ich nähere Informationen für diesen Text online nachlesen. Falls ihr danach ebenfalls mehr über ghanaische Nachrichten erfahren möchtet, findet ihr alles tagesaktuell bei großen Nachrichtenhäusern wie beispielsweise TV3, GNA oder GhanaToday.
Der Corona-Test bei meiner Einreise am Flughafen, Sperrung von See- und Landwegen sowie die obligatorische Mund-Nasen-Maske in öffentlichen Räumen sind nur einige Beispiele, wie Ghana die globale Pandemie im eigenen Land eindämmte. Aufgrund zunehmend sinkender Fallzahlen sowie einer besseren Verfügbarkeit des Impfstoffes wurden die Restriktionen jedoch zum 28. April aufgehoben.
Auch als Non-Citizen konnte ich mir gleich am ersten Tag im Land eine Ghana Card ausstellen lassen.
Um Identitätsverschleierung, Betrug und dem informellen Sektor vorzubeugen, sollten zwischen Oktober und März letzten Jahres alle SIM-Karten mit der Ghana Card registriert werden. Diese nationale ID-Karte gilt seit einigen Jahren als gesetzliches Ausweisdokument für Ghanaer*innen. Um die Identität zu verifizieren, scannen Mitarbeiter der entsprechenden Telekommunikationsfirmen per Handykamera den Handabdruck, entnehmen Informationen aus der Ghana Card und machen ein biometrisches Foto.
Trotz dieses recht unbürokratischen Systems musste die Frist zwei Mal nach hinten verschoben werden; viele Einwohner*innen haben keine eigene Ghana Card, es fehlte an öffentlicher Aufklärung und teilweise waren Kapazitäten überlastet. Somit hatten selbst nach der finalen Frist am 30. September geschätzte 2 Millionen Personen ihre SIM-Karte nicht registriert und können seitdem nur sporadisch auf mobile Daten zugreifen sowie Anrufe machen. Die National Communication Authority steht wegen dieser harten Frist in der Kritik und aktuell auch vor Gericht.
Überall in Ghana findet man sogenannte MoMo-Vendors, bei denen man dezentral Guthaben kaufen oder auf das mobile Konto zugreifen kann.
Um diese Steuer auf mobile Transaktionen zu verstehen, möchte ich erst bargeldloses Bezahlen in Ghana erklären: Neben dem Bankensystem gibt es sogenanntes Mobile Money, oder abgekürzt MoMo. Dabei wird auf der (registrierten) SIM-Karte ein Konto eingerichtet, auf das man über eine kurze Tastenkombination zugreifen kann. So lässt sich sehr einfach Geld verschicken oder bei einem der zahlreichen Vendors überall in der Stadt einzahlen/abheben.
Schon zuvor wurden auf Abhebungen sowie auf Transaktionen zu registrierten Unternehmen Gebühren erhoben, seit Mai gilt zusätzlich die umstrittene E-levy. Dieser gingen lange Parlamentsdiskussionen, Kampagnen und sogar eine Klage gegen die Regierung voraus. Letztendlich wurde die Transaktionssteuer von 1,75% ab einem Freibetrag von täglichen 100 Cedi jedoch eingeführt. Als Begründung dienten die steigenden Preise und der geringe Haushalt der Regierung.
Auch wenn Ghana als eine sichere Republik in Westafrika gilt, fürchtet es eine zunehmende terroristische Bedrohung aus benachbarten Staaten. In Burkina Faso, Togo und Nigeria vermehrten sich letztes Jahr die Berichte von terroristischen Angriffen und es gibt Hinweise, dass terroristische Gruppen Zuflucht in Ghana suchen.
Als Antwort darauf hat die Regierung die Kampagne „See something – Say something“ gestartet; dabei werden die Bürger*innen dazu angehalten, verdächtige Aktivitäten den Sicherheitsdiensten zu melden. Außerdem wurden finanzielle Mittel für Reintegration sowie Prävention bereitgestellt, unter anderem, um die Grenzkontrollen zu verstärken und mehr Sicherheitspersonal auf Überlandstraßen und nachts in den Städten zu stationieren.
Das wohl meistdiskutierte Thema war jedoch die Inflation, welche im November einen Höchststand von 50,3 Prozent erreichte und für viel Kritik am Präsidenten Nana Akufo-Addo sorgte (in meinem Blogeintrag Folge 26: Inflation in Ghana geht es noch mehr um Ursachen und Auswirkungen der Inflation).
Zusätzlich zu einem nationalen Schulaustauschprogramm sah sich die Regierung deshalb gezwungen, in Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfond (IWF) zu treten. Ende Dezember umfassten die Verhandlungen ein 3 Milliarden US-Dollar schweres Kreditprogramm, dies muss aber noch vom IWF verifiziert werden.
Schon im Vorhinein hat sich der Cedi in internationalen Wechselkursen wieder größtenteils stabilisiert, wodurch auch Tank- und Importpreise langsam sinken. Viele führen diese Entwicklung auf den vorläufigen Vertrag mit dem IMF (International Monetary Fund) zurück. Allerdings bewerten lange nicht alle die Verhandlungen als positiv, viele kritisieren sie als ineffektive und nicht nachhaltige Maßnahme, die nur Ghanas Abhängigkeiten verstärke. Die Arbeitsgesellschaften drohten zudem mit Streiks, falls die Rententöpfe wie geplant angezapft werden würden.
Der Bau einer Nationalen Kathedrale für staatliche Beerdigungen und Inaugurationen bildete ein zentrales Wahlversprechen des Präsidenten und mit Unterstützung der Kirchen konnten auch schon 20 Prozent des Projekts beendet werden. Im Hinblick auf die Inflation verhinderte die Opposition allerdings die Finanzierung des Projektes mit einem Gesamtvolumen von rund 250 Millionen US-Dollar. Nichtsdestotrotz wurden Gelder genehmigt und der Finanzminister musste sich im Parlament vor der Anklage verfassungswidriger Zahlungen rechtfertigen.
Und zum Schluss der Sport: Im März gewann Ghana denkbar knapp gegen Nigeria und qualifizierte sich so für die Fußballweltmeisterschaft. Trotz hoher Hoffnungen, dem Besuch des Präsidenten und einem Sieg gegen Südkorea schieden die „Black Stars“ aber gegen Portugal und Uruguay aus.
✉ Beitrag per Email versendenWahlen finden auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene statt. Hier kandidiert ein Politiker der Oppositionsparteien NDC für das Amt des Schatzmeisters in Tamale.
Meine Einsatzstelle Norsaac organisierte diesen Monat zwei verschiedene Veranstaltungen zu dem Thema, wie Verwaltungsstrukturen effizienter gestaltet werden können. Mit ganz viel neuem Wissen ausgestattet möchte ich diese Gelegenheit deshalb nutzen, euch das ghanaische Verwaltungssystem so gut wie möglich näher zu bringen. Insbesondere die Lokalverwaltung ist dabei spannender, als es zuerst klingen mag. Gleichzeitig könnt ihr so ein paar Einblicke in die Arbeit Norsaacs abseits des Programms „Power to You(th)“ erhalten.
Nationale Ebene: Ghana ist zentralverwaltet und jegliche Gesetzgebung geht von der nationalen Regierung in Accra aus. Alle vier Jahre wählt das ghanaische Volk das Parlament und den Präsidenten (bisher waren alle Präsidenten männlich). Seit 2020 leitet Präsident Nana Akufo-Addo (NPP) die Regierung, seine Wiederwahl in 2024 ist aufgrund der aktuellen ökonomischen Lage jedoch sehr unwahrscheinlich. Die Parlamentsmitglieder werden per Mehrheitswahl in ihrem Distrikt gewählt; obwohl Ghana per Verfassung eine Mehrparteiendemokratie ist, dominieren daher die konservative New Patriotic Party (NPP) und der sozialdemokratische National Democratic Congress (NDC). Der Supreme Court ist dafür verantwortlich, dass die Verfassung von 1992
Regionen: Ghana ist in 16 Verwaltungsregionen unterteilt, Tamale ist die regionale Hauptstadt der Northern Region und beherbergt daher das Regional Coordinating Council (RCC). Die RCCs koordinieren Ministerien und Departments wie den Ghana Health Service, Ghana Education Service oder das Department for Social Welfare, welches rund um die gesellschaftliche Inklusion marginalisierter Gruppen arbeitet und somit ein wichtiger Partner für Norsaac ist. Als Bindeglied zwischen der nationalen und lokalen Institutionen sind die RCCs außerdem dafür mitverantwortlich, dass die drei Verwaltungsebenen gleichgestellt sind und sich gegenseitig unterstützen und kontrollieren.
Distrikte: Jede Region ist noch einmal unterteilt in Distrikte, insgesamt hat Ghana 140 Wahlkreise. Das wichtigste Organ hier sind die District Assemblies, welche zum Beispiel nationale Rechte umsetzen, für Sicherheit und positive Entwicklung im Distrikt zuständig sind und gewisse Steuern erheben können. Die District Assemblies sind außerdem dafür hauptverantwortlich, die Bevölkerung an allen Entscheidungen teilhaben zu lassen – allerdings war diese in den vergangenen fünf Jahren mehrheitlich unzufrieden mit ihrer Lokalverwaltung, was unter anderem an der massiven Unterfinanzierung durch die nationale Regierung sowie an der parteilichen Polarisierung liegt. Die Mitglieder der Assemblies werden nämlich zu 30% vom Präsidenten ernannt; dies führt einerseits dazu, dass die regierende Partei immer auch in den District Assemblies in der Mehrheit ist. Andererseits wird so bewusst die Repräsentation marginalisierter Gruppen angestrebt, da für Frauen und Menschen mit Behinderung/ Beeinträchtigung Mindestquoten gelten.
Bei meinem Besuch im Supreme Court in Februar lernte ich, dass Elemente des traditionellen Gewohnheitsrechts die Kolonialisierung und Indirect Rule überstanden haben und nun verfassungsrechtlich geschützt sind.
Im Unterschied zu Deutschland existiert in Ghana integriert in das staatliche System das traditionelle Chieftaincy-System: Jeder Community steht ein Chief vor, welcher in den meisten Fällen ernannt wird und ursprünglich die höchste exekutive, legislative und judikative sowie religiöse und militärische Macht innehatte. Die britische Kolonialmacht nutzte diese existierende Struktur für die sogenannte Indirect Rule und kontrollierte so große Teile Ghanas. Seitdem agieren die traditionellen Autoritäten innerhalb des nationalen Rechts und verlieren sukzessiv an institutioneller Macht.
Nach wie vor sind die Chiefs (mitsamt unterstützender Elders und Queen Mothers) jedoch die wichtigste Instanz innerhalb der Communities. Sie fungieren als Ansprechpunkt für die Bewohner*innen der Community, und koordinieren alle zivilen Vorgehen; bevor Norsaac zum Beispiel eine Projekt in einer Community umsetzen kann, müssen wir immer die Zustimmung der traditionellen Autoritäten erhalten.
Aufgrund der Nähe zum Volk besitzen die traditionellen Autoritäten auch im aktuellen staatlichen System zivilrechtliche Macht. Zum Beispiel können Chiefs sogenannte bye-laws entwickeln und durchsetzen, solange diese nicht dem (Kriminal-) Recht widersprechen. Sie sind in jegliche Entscheidungen eingebunden, welche die Zivilbevölkerung betreffen: Auf nationaler Ebene wird das National House of Chiefs konsultiert während die traditionellen Autoritäten auf lokaler Ebene in den District Assemblies mitentscheiden. Neben der Inklusion marginalisierter Gruppen dienen die 30% ernannten Mitglieder nämlich hauptsächlich dazu, traditionelle Autoritäten (MMDCEs) in die Assemblies zu integrieren.
Während unserer Veranstaltung “Agenda 55” sprachen Repräsentant*innen der 55 Distrikte im Norden darüber, wie bestehende Institutionen effektiv gegen sexuelle und geschlechtsbasierte Gewalt vorgehen kann. Da für möchten sie eine Art freiwilligen Wettbewerb zwischen den Distrikten ausrufen.
Im Jahr 2019 sollte ein nationales Referendum mit der Fragestellung abgehalten werden, ob ebendiese MMDCEs stattdessen gewählt werden sollen. Dieses Referendum wurde zwar aufgrund eines fehlenden Konsens abgesagt, allerdings deutet eine Studie auf die wachsende Unterstützung von etwa zwei Drittel für demokratische, parteiunabhängige Wahlen hin (CDD Ghana 2021 Local Governance Study). Auch wenn diese Befragung vor dem Hintergrund wachsender Unzufriedenheit mit der Politik gesehen werden muss, zieht sich diese Meinung repräsentativ durch alle demographischen Parameter wie Alter, Geschlecht oder Parteiüberzeugung.
Aus dieser Motivation heraus lud Norsaac gemeinsam mit CDD etwa 60 Vertreter*innen staatlicher Institutionen, NGOs und Medienhäuser sowie zwei wichtige Chiefs aus ganz Nordghana einlud. Zwei Tage lang tauschten sie sich über mögliche Wahlreformen aus, die zur effizienten Dezentralisation und besseren Repräsentation marginalisierter Gruppen sowie traditioneller Autoritäten beitragen. Auch wenn sich alle einig waren, dass MMDCEs durch demokratische Wahlen bestimmt werden sollen, gab es Zweifel daran, dass dies ohne parteiliche Einmischung möglich sei. Alle Vorschläge werden nun ausgewertet und bestenfalls im nächsten Jahr zu einem neuen Referendum führen.
✉ Beitrag per Email versenden