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Ein FSJ in Ghana Folge 25: Rück- und Ausblick

Tamale als zweites Zuhause; auch wenn so vieles anders ist, bin ich froh über jeden Tag

Der 29. August ist inzwischen verstrichen – und damit auch mein ursprüngliches Ausreisedatum. Derzeit befinde ich mich zwischen Ankunft und Aufbruch, die Verlängerung bringt einige Veränderungen mit sich und allgemein ist gerade viel los. Höchste Zeit für ein bisschen Reflexion über meinen bisherigen Aufenthalt in Ghana, sowie für einen kurzen Ausblick in die kommenden acht Monate.

Reflexion

Auch wenn die elf Monate wie im Flug vergingen, ist unglaublich viel passiert. Ich habe Geburtstage verpasst und einen heißen Sommer voller Konzerte und Seebesuche. Weihnachten war auch gar nicht so weihnachtlich und ab und zu vermisse ich zuhause.

Dafür habe ich letztes Jahr zum ersten Mal Eis an Silvester verschlungen (Folge 9). Ich durfte Ramadan, Zucker- und Opferfest in einer mehrheitlich muslimischen Stadt erleben (Folge 22). In meinem Projekt sind wir mit jungen Aktivisti durch die Stadt gezogen (Folge 21) und meine Einsatzstelle Norsaac feierte ihr 20-jähriges Jubiläum. Gleich zweimal bekam ich Besuch aus Deutschland und ich hatte das Glück, mehrere tolle Reisen zu machen.

Fest steht, dass ich jede einzelne Erfahrung des letzten Jahres wertschätze. Das sind diese greifbaren Highlights, genauso wie all die „kleinen“ oder unbeschreiblichen Situationen. Ich schätze die Freundschaften und inspirierenden Bekanntschaften wert, die ich machen durfte. Ich schätze all die Situationen wert, in denen ich verwirrt, überfordert oder verloren war, und eine Person sich meiner angenommen hat. Ich bin dankbar für all die Einblicke, die ich bisher in verschiedenen Kulturen erhalten durfte: In die lokale Sprache Dagbani, die Kreolsprache Pidgin und mein eigenes spoken English with Ghanaian accent. In verschiedene Gerichte und die nette Einladung „you’re invited“, wann immer jemand isst. Einblicke in die Geschichte von Menschen, Orten und Traditionen.

Ein tägliches, für mich unverzichtbares Highlight sind die Ziegen – sie klettern auf alles mögliche, kämpfen mit Hunden oder schlafen im Stehen. Hier retten sich zwei Babyziegen vor dem Regen…

Dazu gehören auch zahlreiche Einblicke in die Kolonialgeschichte Ghanas. Während die deutsche Mehrheitsgesellschaft das grosse Privileg hat, globale koloniale Machtstrukturen ignorieren zu können, sind diese hier unübersehbarer Teil des täglichen Lebens. Aus meinem Freiwilligendienst nehme ich daher nicht nur schöne Erlebnisse, sondern auch zahlreiche Erkenntnisse und noch mehr Fragen mit.

Diese Erfahrungen prägen mich natürlich, und so durfte ich im letzten Jahr auch einige Veränderungen an mir selbst mitverfolgen: Ich lerne, andere Perspektiven nachzuvollziehen. Dazu gehört, dass ich mich und mein Umfeld weniger schnell bewerte. Ich lerne, das Verhalten anderer Menschen zu verstehen und respektvoll zu adressieren. Gleichzeitig lerne ich auch, in mich hineinzuhören, meine Bedürfnisse zu priorisieren und meine Meinung klar zu kommunizieren. Mich mal gegen etwas zu entscheiden oder nach Hilfe zu fragen. Im letzten Jahr wuchsen meine Selbstständigkeit sowie mein Selbstbewusstsein.

Neuerungen

Verlängerung bedeutet nicht gleichzeitig Kontinuität. Im Gegenteil! Seit Anfang September hat sich mein Leben noch einmal grundlegend verändert: Haupsächlich ist das wohl durch meinen Umzug begründet. Bisher wohnte ich bei einer Gastfamilie, jetzt lebe ich mit meinem Freund zusammen. Bereits im Juni fanden wir eine Einzimmerwohnung mit Bad zur Miete. Inzwischen ist gestrichen, geputzt und (zumindest teilweise) eingerichtet. Umgezogen bin ich dann Ende August und tatsächlich musste ich ein bisschen mit meinem Gepäck kämpfen, das aus mir unerschließlichen Gründen unsagbar viel und untragbar schwer wurde…

Mein Gepäck ist größtenteils unverletzt in der neuen Wohnung angekommen – herzlich Willkommen!

Noch ist nicht fertig eingerichtet, und mein neuer Alltag nicht vollständig koordiniert; ich kaufe jetzt selbstständig ein und koche wieder für mich. Während ich bei meiner Gastfamilie eine Waschmaschine benutzte, wasche ich nun mit der Hand. Mein Arbeitsweg reduziert sich nun auf eine halbe Stunde hin und zurück, zuvor nutzte ich eine komplette Stunde einfach. Die größte Änderung ist wohl, dass ich mir meine Zeit jetzt komplett selbst einteilen kann. Diese Freiheit ist zwar noch ein wenig ungewohnt, aber auf jeden Fall ein willkommener Wechsel und ich fühle mich zuhause angekommen.

Eine weitere Veränderung, die zeitgleich mit meiner Verlängerung eintraf, ist meine neue Mitfreiwillige. Die kommenden Monate werden wir beide bei Norsaac als Praktikantinnen arbeiten und ich bin überzeugt, dass wir uns auch darüber hinaus wertvollen Austausch und gegenseitige Unterstützung geben können. Gleichzeitig bin ich jetzt aber auch nicht mehr die einzige weltwärts-Freiwillige bei Norsaac, beziehungsweise in Tamale. In nächster Zeit werde ich daher sicherlich meine Rolle, die ich in den letzten Monaten für mich gefunden habe, noch einmal aus anderer Perspektive reflektieren.

Mit dem Beginn der neuen weltwärts-Saison wechseln natürlich auch die Freiwilligen in anderen Einsatzstellen. In den vergangenen Wochen schrieb ich daher viele Abschiedsnachrichten an diejenigen Freiwilligen, die ich im letzten Jahr kennenlernen durfte. Zurück kamen sowohl Freudesnachrichten über deutsches Essen, als auch viel Melancholie.

Die letzte große Neuerung findet ebenfalls auf meiner Einsatzstelle statt, ich wechsel nämlich meine Chefin. Durch meine inzwischen fast einjährige Erfahrung im Programm Power to You(th) (Folge 21) darf ich nun bei der Koordination auf nationaler Ebene assistieren. Das ehrt mich natürlich sehr und ich freue mich auf die engere Arbeit mit meiner Chefin. Was da genau auf mich zukommt berichte ich aber in einem späteren Bericht.

Ausblick

Auch die kommenden Monate darf ich euch weiterhin mit zwei Blogeinträgen pro Monat auf dem Laufenden halten. Danke für euer anhaltendes Interesse und Feedback!
Ich bin auch unglaublich dankbar für all die Unterstützung, die ihr mir bewusst oder unbewusst gebt. Auch wenn ich manchmal von Situationen überfordert bin, habe ich mich die letzten Monate niemals einsam gefühlt. Danke, dass ihr mich während dieses großen Privilegs „Freiwilligendienst“ begleitet.

Bis bald!

Meine Partner:    weltwärts      bezev e.V.     Norsaac

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Ein FSJ in Ghana Folge 24: Besuch von Zuhause II

Meine Eltern, Schwester und ich im Kakum Nationalpark

Im letzten Beitrag „Besuch von Zuhause I“ habe ich bereits begonnen, von dem Besuch meiner Familie und unserer gemeinsamen Reise durch Ghana zu berichten. Allerdings haben wir so viel gesehen und gelernt, dass das ganze zwei Bolgeinträge füllen könnte. Deshalb hier: Besuch von Zuhause II!

Kumasi

Kumasi ist die zweitgrößte Stadt Ghanas und Hauptstadt des Königreiches der Ashanti. Wir besuchten unter anderem das Prempeh II Jubilee Museum, welches eine kleine Kopie des Palasts des Ashantikönigs Asantehene ist. Hier sind unter anderem der unechte Goldene Stuhl aufbewahrt: Das Original ist aus purem Gold und wurde dem ersten Asantehene im 18. Jahrhundert durch den höchsten Gott Nyame der Asante gesendet. Danach diente der Goldene Stuhl dem König als Staatsinsignie und Thron, inzwischen wird er jedoch nur noch alle fünf Jahre herausgebracht.

Während der Kolonialzeit gab es einige Kämpfe zwischen den Briten und den Asante. Bei ihrem Sieg 1900 forderten die Briten die Aushändigung des kostbaren, heiligen Goldenen Stuhls. Stattdessen erhielten sie jedoch einen goldbeschichteten Messingstuhl, den sie erst nach Ende der Kolonialzeit zurückgaben – allerdings nur die Messingversion, das Gold wurde vorsorglich entfernt.

Auf dem Adinkra-Symbol sind zwei Krokodile abgebildet, die um Nahrung konkurrieren, obwohl sie sich ihren Magen teilen. Es bedeutet so viel wie „Unity in Diversity“

Auch sonst begegneten wir in Kumasi ganz viel Geschichte, unter anderem in Form der Adinkra-Symbolen. Das Symbol „Gye Nyame“ (Gott allein) ist beinahe inflationär in ganz Ghana verbreitet, mir hat insbesondere „Funtumfunefu Denkyemfunefu“ (Unity in Diversity) gefallen.

Das Asante-Königreich ist außerdem für die Webkunst Kente berühmt. Der Legende nach geht sie auf die Spinne Ananse, eine manipulative Sagenfigur der Asante, zurück. Seinem Spinnennetz nachempfunden begannen Weber, kunstvolle Stoffe (zunächst nur für die königliche Familie) zu entwerfen. Jedes der rund eintausend Muster hat mitsamt Farbgebung eine eigene Bedeutung.

Nahe bei Kumasi befindet sich der Bosomtwe-See, ein großer Krater, der durch einen Meteoriteneinschlag vor gut einer Millionen Jahren entstand. Um ein bisschen Entspannung zu bekommen, wollten wir einen Ausflug um den See machen. Dieser misst jedoch acht Kilometer im Durchmesser und somit wurde unsere Wanderung etwas anstrengender als geplant. Wir gaben (an unterschiedlichen Stellen) schließlich auf, dennoch genossen wir unseren Ausflug in Kakao- und Kochbananen-Plantagen sehr!

Kakao

Das Muster dieser Stoffbahn bedeutet „Peace and Harmony“, die Farbe grün steht für Vegetation. Um einen Stoff zu erhalten, werden mehrere dieser Bahnen zusammengenäht.

Später lernten wir übringens auch noch mehr über die Kakaofrucht: Der Kakao fand seinen Weg 1879 nach Ghana über das Westafrikanische Land Guinea, beziehungsweise über den Händler Tetteh Quarshie. Aus damals einer einzigen Bohne entwickelte sich Ghana zum zweitgrößten Kakaoexporteur weltweit. Der Anbau ist daher streng geregelt; Landwirt*innen verkaufen ihre Ernte zum Festpreis an den Staat, der die Verarbeitung und den Verkauf ins Ausland regelt.

Kakao wird hier in zwei Saisons geerntet, wobei eine reife Kakaofrucht gelb ist. Die Hülle ähnelt einem Rugbyball und nachdem sie quer aufgeschnitten ist, werden die Bohnen auf Bananenblättern ausgebreitet (alternativ zutzelt man wie wir das süße, weiße Fruchtfleisch um die Bohnen herum ab). Die Bohnen fermentieren für ein paar Tage zwischen den Blättern, bevor sie sonnengeröstet und anschliessend gemahlen werden.

Der Kakaobaum hat neben Kakao und -butter noch viele weitere Verwendungen: Die oben beschriebene Hülle wird getrocknet und gemahlen zu sogenannter Blacksoap verarbeitet, die besonders gut gegen Hautverunreinigungen helfen soll. Aus den Blättern wird eine Suppe speziell für Wöchnerinnen gekocht, die Wurzeln helfen gegen Husten und andere Immunbeschwerden.

So sind Elefanten aus geschätzt 30 Metern Entfernung noch eindrucksvoller.

Mole und Larabanga

Auf unserer Reise in den Norden planten wir einen zweitägigen Stopp im Mole-Nationalpark ein. Zuvor wurden wir jedoch vorgewarnt: in der aktuellen Regenzeit sei es schwieriger, viele Tiere zu sehen. Die warme, feuchte Luft roch nach Pfefferminze und zunächst liefen wir an einem „Wait a Minute“-Baum vorbei, die diesen Namen aufgrund Dornen tragen. Relativ schnell trafen wir jedoch auf mehrere männliche Elefantenherden, die sich ihren Weg durch das Unterholz frassen oder das kühle Wasserloch genossen.

 

 

Auch beim Bau hatte Ayuba Hilfe durch Allah: Mit den schwarzen Stäben markierte der Gläubige, wie weit er an einem Tag selbst gebaut hatte. Am nächsten Tag fand er jedoch eine höhere Mauer. Der Baobab-Baum wächst auf Ayubas Grab.

Nahe am Mole Nationalpark befindet sich auch die älteste Moschee des Landes. Die sechshundert Jahre alte Larabanga-Moschee wurde von dem islamischen Händler Ayuba gegründet, der beim sogenannten „Mystic Stone“ einschlief. Dieser Stein wurde mehrfach bewegt und zerstört, kehrte jedoch immer wieder unversehrt an diese Stelle zurück. Im Traum erhielt der Gläubige eine Vision: Er solle eine Moschee an einer Stelle bauen, die er durch einen Speerwurf finden würde.

Tamale

Unsere letzten Tage verbrachten wir in Tamale – dank der relativ wenigen Sehenswürdigkeiten waren das jedoch recht entspannte Tage. Am meisten gefiel uns die neue Ausstellung im Museum mit moderner Kunst (Folge 15: In Tamale und um Tamale und um Tamale herum). Endlich konnte ich meine Familie aber auch zur Arbeit und nach Hause mitnehmen!

Nach drei anstrengenden, aber schönen Wochen stand dann auch schon wieder der Abschied für weitere acht Monate an; aber obwohl ich zuhause jetzt noch ein bisschen mehr vermisse, gehe ich gut gerüstet mit neuem Haarschnitt und Schokoladenvorrat in die Verlängerung.

Meine Partner:    weltwärts      bezev e.V.     Norsaac

 

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Ein FSJ in Ghana Folge 23: Besuch von Zuhause I

Auf dem Wandgemälde in Fort Apollonia konnten wir Vorbereitungen und Festlichkeiten zum jährlichen lokalen Festival nachvollziehen.

Die zahlreichen Reiseberichte in meinem Blog erwecken vielleicht den Eindruck, ich würde meine Zeit hauptsächlich mit Reisen verbringen. Dieser Eindruck trügt zwar, der heutige Reisebericht hat allerdings einen ganz besonderen Anlass: Zuhause kam zu Besuch! Meine Eltern und ältere Schwester verbanden ihren Jahresurlaub mit einer (vorübergehenden) Familienzusammenführung. Ganze drei Wochen nahmen wir uns Zeit, um durch das Land zu reisen und uns gegenseitig wieder auf den aktuellen Stand zu bringen.

Auch wenn diese Reise nicht meine erste Reise in Ghana war, durfte ich wieder verschiedenste Fassetten des Landes sehen und dank toller Führungen durch historische Erbe, Naturschätze und kulturelle Zentren unglaublich viel lernen. Ich habe versucht, ein paar der Geschichten (so gut ich mich erinnere) mit in diesen Reisebericht aufzunehmen. Viel Spaß!

Festungen entlang der Küste

Auf unserer Reise hatte ich erneut die Möglichkeit, die Festungen in Cape Coast und Elmina zu betreten. Von hier aus wurden früher Menschen übersee verkauft, mehr findet ihr in der Folge 18: Transatlantischer Sklav*innenhandel. Erneut war ich überwältigt von der Grausamkeit dieser scheinbar schönen Mauern…

Nicht minder beeindruckend war unser Besuch in dem kleineren Fort Apollonia. Mit viel Sorgfalt und Detailliebe wurde hier eine Ausstellung zur Stadtgeschichte und den Menschen in der Community (Beyin) eingerichtet. Auch in dieser Festung fanden schreckliche Verbrechen statt – dieselben Räumlichkeiten werden heute jedoch genutzt, um stolz und würdevoll die eigene Geschichte in den Fokus zu rücken.

Kakum Nationalpark

Canopywalk im Kakum Nationalpark

Der Kakum Nationalpark wurde 1990 im Primärregenwald eröffnet. Seitdem darf hier nicht mehr gefällt und gejagt werden, die Vegetation dient den umliegenden Communities aber weiterhin als natürliche Apotheke.

Der Tourismus sei laut des Guides wichtig, um das Gebiet weiterhin bewahren zu können. In den vergangenen Jahren wurde deshalb viel Tourismusförderung unternommen: Die erste Attraktion ist ein Baumhaus etwa zehn Minuten vom Parkplatz entfernt. Auf dem Weg dorthin stapften wir durch Dunkelheit und Ameisen, die sich aufgeschreckt in unsere Füße verbissen. Sicher oben im Baumhaus angekommen verkrochen wir uns schnell auf die Matratzen und lauschten den Geräuschen der Nacht – insbesondere den Rufen des sogenannten Baumschliefers.

Einer Erzählung nach war das kleine Säugetier zu eitel, um Noah auf die Arche zu folgen. Seine Kletterkünste halfen ihm zunächst noch, dem steigenden Wasserpegel der Sintflut zu entkommen. Ingendwann realisierte es jedoch seine ausweglose Situation und rief „Noah“ um Hilfe. Die lauten nächtlichen Rufe erinnern heute noch an seine glückliche Rettung.

Nach der kurzen Nacht waren wir am nächsten Morgen bereit für die zweite Attraktion im Kakum Nationalpark: Ein Baumwipfelpfad führt in rund 40 Meter Höhe durch die nebelverhangenen Baumkronen.

Elmina

Als erste europäische Festung in Afrika südlich der Sahara zeugt das Elmina Castle von dem einschneidenden Einfluss durch Kolonialmächte. Auf einer Führung durch die Fischereistadt lernten wir jedoch auch andere Seiten Elminas kennen: Auch wenn die Mehrheit heute christlich ist, sind in Elmina 77 Gottheiten beheimatet. Aus Respekt vor der Meeresgottheit fahren Fischer übrigens bis heute dienstags nicht aus. Viele schreiben dem Himmel zudem Männlichkeit zu, während die Erde weiblich sei. Wenn Regen fällt, werde „Mutter Erde“ befruchtet und Leben könne entstehen.
Eine weiter Tradition in Elmina ist das Bakaue Festival. Zu Beginn der jährlichen Fischsaison im Juli wirft der oberste Priest drei Mal ein Netz im Hafen aus. Die Menge an Fischfang sage demnach vorher, wie reich die kommenden Monate würden. Dieses Jahr wurde leider nur ein einziger Fisch gefangen, glücklicherweise lief es bisher trotzdem ganz gut.

Nzulezu

Der heilige Schrein in Nzulezu – an dieser Stelle verschwand damals der heilige Geist.

Noch weiter westlich entlang der Küste befindet sich das Stelzendorf Nzulezu. Das Dorf mit rund 500 Einwohner*innen, welches so viel wie „Wasseroberfläche“ bedeutet, wurde von Siedler*innen aus dem heutigen Mauritanien gegründet. Sie folgten einem heiligen Geist gen Süden, bis dieser vor ihnen im Wasser verschwand.

An dieser Stelle gründeten sie das Dorf Nzulezu, das durch seine angeschiedene Lage besten Schutz bietet. Seit 2000 ist es UNESCO Weltkulturerbe.

 

 

 

 

Vegetation auf dem Weg nach Nzulezu.

In einer Umfage durch die Vereinten Nationen berichteten die Einwohner*innen von den Vorteilen, die der tägliche Tourismus in das Dorf bringt – und dass Corona auch hier einschneidende (ökonomische) Folgen hatte. Dennoch fühlten wir uns bei der wortwörtlichen „Besichtigung“ des Wohnortes nicht ganz wohl und genossen viel mehr die Hin- und Rückfahrt: Mit dem Boot fuhren wir durch spiegelglattes Wasser und eine Landschaft, die ich unprofessionell am ehesten als „Schwammregenwald“ bezeichnen würde. Farne und Palmen wuchsen aus dem mineralreichen, schwarzen Wasser hervor und bildeten undurchdringbare Wege – durch die exakte Spiegelung alles doppelt.

Meine Partner:    weltwärts      bezev e.V.     Norsaac

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Ein FSJ in Ghana Folge 22: Islam

Muslimische Bekleidung in der Stadt

Wenn ich durch Tamale laufe, begegne ich Männern in Djellaba und passiere Läden, in denen Hijabs verkauft werden. Fünf Mal täglich höre ich den Muezzin, der aus einer der zahlreichen Moscheen zum Gebet ruft.

In meinem Freiwilligendienst beschäftigt mich das Thema Religion mehr als in Deutschland, weil in Ghana mehr Menschen ihren Glauben offen ausleben. Tamale ist mehrheitlich muslimisch, und durch meinen Alltag, durch Feiertage und insbesondere durch Gespräche begreife ich wesentliche Inhalte des Islams besser.

Eid …

… al-Fitr, das Zuckerfest, ist der Beginn des neuen Jahres und wird im Anschluss an Ramadan gefeiert. Der Fastenmonat liegt zwischen zwei Neumonden und begann dieses Jahr am 02. beziehungsweise 03. April. Die 30 Tage sind in drei zehntägige Phasen (Ashra) aufgeteilt, in denen Gläubige entweder für Barmherzigkeit, Vergebung oder Rettung vor der Hölle beten. Ablenkungen sollen während dieser Zeit möglichst vermieden werden – daher leben Gläubige während des Fastenmonats enthaltsam, verzichten auf Medikamente und fasten zwischen dem ersten und dem letzten Gebet (solange es die Gesundheit zulässt).

Nach dem Volleyball brachen wir gemeinsam das Fasten und meine Mitspieler beteten zusammen im abendlichen Dämmerlicht.

Ich persönlich würde den Ramadan insgesamt als eine Zeit des Gebens und der Besinnung auf Allah und die eigene Beziehung mit Allah beschreiben. Darin kann ich natürlich kaum Einblick erhalten. Um meine Mitmenschen und ihre Bedürfnisse trotzdem besser nachvollziehen zu können, fastete ich nach bestem Wissen und Gewissen ebenfalls für eine Woche. Da ich nachts etwa fünf Liter Wasser trank, war mein Durst erstaunlich gut aushaltbar – meine Aufmerksamkeit dafür tagsüber jedoch auch geringer. Nach dem gemeinsamen Fastenbrechen (am besten mit Datteln und dem lokalen Getränk Mashed Kenkey) fühlte ich mich dafür immer umso besser.

Das Zuckerfest am 02. beziehungsweise 03. Mai markiert das Ende des Ramadan und gleichzeitig den Beginn des neuen Jahres. Zu diesem Anlass konnte waren in der Stadt zahlreiche Menschen in Festtagskleidung, die Familie und Freund*innen besuchten.

… al-Adha ist das Opferfest und fiel dieses Jahr auf den 09. beziehungsweise 10. Juli. Schon einige Tage zuvor habe ich in Tamale an allen Ecken angebundene Schafe, Ziegen und Kühe gesehen, die dann am höchsten islamischen Feiertag geschlachtet wurden. An beiden Festen war ich bei Freund*innen eingeladen und durfte auch als Vegetarierin kräftig mitessen.

Mein Kollege und Mentor Hamza

„The religion Islam, in fact, that is my life” – so beschreibt Hamza seine Beziehung zum Glauben. Die Grundlage dafür hätte seine muslimische Erziehung zuhause und in der Islamischen Schule geboten, außerdem hätte sein eigenes Urteilsvermögen ihn zum Glauben gebracht: „I also used my own judgement, or my own perception, from what I see in the environment to get to understand that things can not be happening just like that. […] Human being can not create sky, so that made me believe that there is that person somewhere who we call Allah, or God, or Naawuni. He did those things that made me come to believe that there is someone somewhere called God, or Allah.”

Hamza, sein Sohn und ich bei der (muslimischen) Hochzeit seines Bruders.

Die Lehren des Islams wären dabei unermesslich weit, der Koran hätte über alles (über)irdische gesprochen: „Example: You may have heard that there is fire in California, […] or in Australia, and it would burn like one month uncontrollably, or even two. It would burn and burn houses and hurt animals – these are all signs of the world coming to end. I’m not saying that world will come to an end now, but most of the signs that were said 1000 plus years ago is now coming to pass.” Er schlussfolgert daraus: “Quran is not a word of human being […] because of the kind of deep understanding in it.”

Hamza erklärt mir, dass die sechs Glaubesinhalte im Islam sein Leben lenken; diese sind der Glaube an Allah, seine Engel und Propheten, an die heiligen Bücher, der Glaube daran, dass jegliches Gut und Böse durch Allah geschehe und der Glaube an den Tag des Gerichts. „So, my life is guided by the Islam preaches. I try to believe according to my faithability. Do my fasting, when the time comes, and sometimes I do other fastings just to be able to be the way a Moslem should be. […] And the prayer that we do guides our life day in day out.

So, this are how my life is guided in a way, but like I said, I have my personal gains that might not go along with the Islam preaches. But I still do it, because these are my personal gains and I know very well that whenever I go to do that I will have sins for that, whether I like it or not. And it happens, I can’t pretend, we’re human.”

Religionsfreiheit

An dieser Stelle geht Hamza darauf ein, dass die Sünden einiger weniger Muslim*a oft auf die gesamte Religion projeziert würden; er betont aber: „The word ‚Islam‘ in Arab means ‚Peace‘. Islam means peace. So, when they ask you what is Islam you define it as being peaceful, faithful to Allah and the whole mankind. That is Islam. Any other thing aside this that is not Islam, no.”

In Ghana ist Religionsfreiheit in der Verfassung verankert, und gilt nicht nur auf dem Papier: Die friedliche Koexistenz jeglicher Religionen und Glaubensrichtungen wird einerseits aktiv gefördert, beispielsweise wenn der Chief Imam die Ostermesse besucht. Andererseits wird allgemein anerkannt, dass sich die verschiedenen Religionen im Kern gleichen: „[T]hey look similar to some extent, you do certain things the same way and we all believe that we are praying to one person, one supreme being, one God. Christians pray to God, Moslems pray to Allah, Traditionalists also pray to God or Allah. The difference is that we are using different ways to pray to him; Moslems pray to God direct, you don’t pass it through anybody. Because we believe that, Allah or God want his servants to pray to him direct, without passing through anyone or anything. […] Christians pray to God, the same God, through Jesus, because they believe that Jesus is the Son of God. […] And Traditionalists also pray to that same God through their ancestors.”

Meine Partner:    weltwärts      bezev e.V.     Norsaac

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Ein FSJ in Ghana Folge 21: Power to You(th)…

Meine Chefin Nancy und ich beim Posen.

… oder abgekürzt PtY hat uns bei Norsaac in den vergangenen Monaten ordentlich beschäftigt gehalten. Für alle, die nicht extra zur Folge 7 „Die Einsatzstelle NORSAAC“ zurückspulen möchten: In meiner Einsatzstelle arbeite ich hauptsächlich in diesem Programm mit.

PtY ist ziemlich umfangreich und lässt sich wohl so am besten zusammenfassen: Gesellschaftliche Probleme rund um ungeplante Schwangerschaften, sexuelle und geschlechts-basierte Gewalt und schädliche Praktiken betreffen hauptsächlich junge (weibliche) Menschen. Diese werden so in ihrer persönlichen Entwicklung behindert und gleicher Chancen beraubt. Gleichzeitig können sie als Betroffene am effektivsten für ihre Rechte eintreten und positiven sozialen Wandel initiieren; das Programm PtY zielt daher darauf ab, junge Menschen sinnvoll und ganzheitlich in Entscheidungen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene zu integrieren.

Seit Februar habe ich zwei neue, tolle Chefinnen, im Juni ist unser Team um zwei Praktikant*innen gewachsen. Gemeinsam planen, begleiten und berichten wir über alle Aktionen. Inzwischen haben sich so auch viele neue Phrasen und Abkürzungen in mein Vokabular geschlichen… Höchste Zeit, euch ein paar Updates über unsere Arbeit zu geben!

Partners meeting

Alles startet mit guter Planung und Koordination – deshalb trafen wir uns im Frühjahr mit unseren drei Partnerorganisationen unter PtY. Wir besprachen, was bisher geschah (oder eben auch nicht) und was wir daraus lernen können.

Hier unterschreibt der Direktor von Norsaac die Preise.

Danach einigten wir uns auf einheitliche Konzepte, darunter unter anderem die MGH. Bei den sogenannten „Model Gendered Households“ handelt es sich um Familien, die sich selbst überlegen, wie sie Aufgaben im Haushalt gerecht(er) verteilen und alle Familienmitglieder generationenübergreifend in Entscheidungen einbinden können. Einige Fragen blieben nach dem Treffen natürlich offen und ich kann mir gut vorstellen, dass auch meine Erklärungen an dieser Stellle mehr als kurz ausfallen. Am Ende gingen wir alle trotzdem mit einem besseren Verständnis und einer klaren Agenda für das erste halbe Jahr aus dem Treffen.

YISG

Hierbei handelt es sich um die sogenannten „Youth Initiative Small Grants“, also Budgets für kleine Projekte innerhalb des grossen PtY-Programms.

Über 60 Netzwerke und Organisationen bewarben sich mit eigenen Initiativen, und nach einem Prozess aus Feedbackrunden und gemeinsamen Gesprächen erhielten schließlich zehn Bewerbungen den Preis. Darunter sind beispielsweise eine Kunstausstellung von Schüler*innen zu Gewalt und ein Workshop zu Herstellen wiederverwendbarer Binden.

LLVs training

In ihrem Call to Action forderten die Aktivisti unter anderem mehr Mitsprache bei Entscheidungen und bessere Bildung im Bereich reproduktiver Gesundheit.

Diese hoffentlich letzte kryptische Abkürzung steht für „Legal Literacy Volunteers“, was wiederum ein Term für juristische Erste Hilfe ist. In einem dreitägigen Workshop besprachen knapp 20 Freiwillige aus verschiedenen Communities mit einem Menschenrechtsanwalt nationale sowie Gewohnheitsrechte – und welche Mechanismen bei Zwangsheirat, Sex mit Minderjährigen und anderen Verletzungen dieser Rechte greifen.

Ausgestattet mit diesem Wissen werden die LLVs in ihren Communities zur Anlaufstelle in Rechtsfragen, können bei Bedarf direkt Kontakt zur Polizei aufnehmen und dienen Norsaac als Kontaktpunkt zu den Communities. Außerdem entwarfen die Teilnehmenden während des Workshops eigene Aktionspläne, die sie in den kommenden Monaten in Form von Sensibilisierungs- und Aufklärungsprogrammen realisieren.

Regional stakeholders meeting

Als nächstes luden wir die traditionellen Autoritäten aus den Communities, Repräsentant*innen von verschiedenen staatlichen Institutionen wie zum Beispiel der Polizei oder dem Ghana Health Service sowie Journalist*innen zur gemeinsamen Reflexion über Jugendpartizipation ein. Dabei durften ein paar junge Menschen natürlich nicht fehlen, und so präsentierten am Ende der Veranstaltung junge Aktivisti einen Call to Action.

Menstrual Hygiene Day

Am Internationalen Menstruationstag trugen wir unsere Forderungen laut und bunt auf die Straße.

Eins meiner persönlichen Highlights war unsere Aktion zum Internationalen Menstruationstag: Gemeinsam mit über 200 jungen Aktivisti von verschiedenen Frauen- und Jugendnetzwerken reichten wir am 28. Mai eine Petition beim Northern Regional Coordinating Council (welches wohl am besten mit einem deutschen Landtag vergleichbar ist) ein. Mit dieser Petition forderten wir die Abschaffung jeglicher Steuern auf Periodenprodukte sowie bessere Bildung rund um reproduktive Gesundheit. Zuerst schufen wir jedoch erst einmal ordentlich Aufmerksamkeit für unsere Anliegen, indem wir mit Brass Band, Plakaten und Gesang durch die Innenstadt zogen. Das war zwar ganz anders als deutsche Demozüge, erinnerte mich dennoch an meine Zeit bei Fridays for
Future.

Monitoring visit

Ebenfalls im Frühjahr fuhren wir für zwei Tage in die Upper East Region und besuchten verschiedene Communities und lokale Verwaltungen. Bei diesem Besuch ging es hauptsächlich darum, das Projekt und uns als neues Team vorzustellen. Gleichzeitig bereiteten wir dabei aber auch schon kommende Aktivitäten (wie LLVs training oder regional stakeholders meeting) vor.

Diese vierteljährlichen Besuche sind Teil einer sehr gründlichen Evaluation – zu jeder Aktion schreiben wir im Nachhinein einen Bericht, Erfolgsgeschichten sammeln wir noch einmal extra.

Die Berichte, gemeinsam mit Fotos und Anwesenheitslisten dienen unter anderem auch als Beweis, dass wir die Aktionen wirklich durchgeführt haben. Das ist die Grundlage dafür, weiterhin mit internationalen Organisationen wie Unicef oder Oxfam zu kollaborieren.

Meine Partner:    weltwärts      bezev e.V.     Norsaac

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