Nicht selten setzen Unternehmen bei der Personalauswahl ein Assessment-Center (AC – von englisch to assess = beurteilen, auf deutsch etwa Beurteilungszentrum) ein. Nicht immer werden Sie zu einem Assessment-Center eingeladen – Auswahl- oder Bewerberseminar sind ebenfalls gängige Namen. Aber was passiert dort? Und warum?
Kurz gesagt: Man setzt Sie unter Druck. Allein oder in der Gruppe bekommen Sie unterschiedlichste Aufgaben gestellt, die im Kern nur eines gemeinsam haben: Sie sind in der Regel nicht oder in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht vollständig zu lösen. Und was soll das? Stress erzeugen. Im AC wird simuliert, wie Sie sich unter Stress verhalten und reagieren. Die gestellten Aufgaben rücken dabei in den Hintergrund – wie viel Quadratwurzeln Sie in 5 Minuten ziehen oder welche amerikanischen Bundesstaaten Sie auf einer Landkarte eintragen können, ist nebensächlich. Die Beobachter, die sich übrigens immer im Hintergrund halten, interessieren ganz andere Dinge: Wie verhalten Sie sich, wenn Sie eine Aufgabe nicht lösen können? Wie reagieren Sie, wenn Sie feststellen, dass die Zeit knapp wird oder merken, dass Sie einen Fehler gemacht haben? Es geht also darum, wie Sie mit Problemen und Druck umgehen – egal, ob Sie allein im AC sind oder in einer Gruppe.
Eine beliebte Übung ist z.B. die Postkorb-Aufgabe („Sortieren Sie diese Eingangspost nach „Wichtig“, „Unwichtig“, „Sofort erledigen“ und „Liegen lassen“): Wie viel Post Sie am Ende der (immer zu knappen) Zeit sortiert haben, ist fast Nebensache. Aber: Wie sind Sie vorgegangen? Systematisch? Alphabetisch? Nach dem Zufallsprinzip? Haben Sie sich an Ihr System gehalten? Oder in der Hektik den roten Faden verloren? Haben Sie vielleicht mittendrin Ihr System geändert? Oder alles wieder zusammengeworfen, um von vorn anzufangen?
Wie kommt die Gruppe zu einer Lösung? Wird demokratisch diskutiert oder zwingt ein Teilnehmer dem Rest seine Meinung auf? Wer bestimmt die Diskussion und wer hält sich im Hintergrund? Wer trägt zur Problemlösung bei und wer stört nur mit seinen Beiträgen? Wer ändert ständig seine Meinung und wer ist überhaupt nicht zu überzeugen? Wer übernimmt welche Rolle in der Gruppe?
Wesentliche Kriterien sind:
Sie sehen, es geht um Sie als Person oder Persönlichkeit – aus dem Abschlusszeugnis sind diese Fähigkeiten oder Charakterzüge nicht herauszulesen.
Kaum ein AC gleicht dem anderen – das hängt mit der Vielzahl von Methoden und Übungen, aber auch mit der Anzahl der Testpersonen und den vom Unternehmen favorisierten Kriterien und Erkenntnissen über die Kandidaten zusammen.
Dauert das AC länger und wird von einer Mittagspause unterbrochen oder mit einem gemeinsamen Essen abgeschlossen, gehört das Essen zum Test! Hier geht es zwar nicht um den Stress beim Kampf mit der Hummerzange – Ihre Tischmanieren werden aber genauso aufmerksam registriert wie Ihr Small-Talk. Also definitiv der falsche Zeitpunkt, jetzt über andere Teilnehmer abzulästern oder den ganzen Test als solchen in Frage zu stellen.
Die natürliche Reaktion eines Menschen auf starken Stress ist Flucht oder Angriff – dieser Instinkt ist angeboren. Auf genau diesen Reflex setzt ein AC im Prinzip – und dagegen können Sie erst einmal überhaupt nichts tun. Die oben genannten Kriterien, auf die bei einem AC geachtet wird,
können Sie allerdings innerhalb einer gewissen Bandbreite trainieren – egal ob Ausdauer, Belastbarkeit oder Ihre Rhetorik. Innerhalb einer gewissen Bandbreite bedeutet das, dass noch so viel Training aus einem introvertierten und schüchternen Menschen keine „Rampensau“ macht, die aus dem Stehgreif zum umjubelten Mittelpunkt jeder Reisegruppe wird.
Und wer sich selbst für die Krönung der Schöpfung hält, kann zwar an seinem
Einfühlungsvermögen und seiner Fähigkeit zur Selbstkritik arbeiten – zum zurückhaltenden Vermittler mit Fingerspitzengefühl in sensiblen Situationen ist es aber ein sehr weiter Weg.
Wer sich intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte: Es gibt jede Menge gute Bücher zum Thema wie z.B. „Assessment- Center erfolgreich bestehen“ von Johannes Stärk, Gabal Verlag. Manche Volkshochschulen bietet Kurse zum Thema Bewerbertraining und Vorstellungsgespräch an – das hilft nicht nur beim AC.
Unter www.planet-beruf.de (Meine Bewerbung) bietet die Agentur für Arbeit eine Menge Tipps, Checklisten, Videos und weitere Informationen zum Thema Bewerbung, Vorstellung und AC an – zum Teil sogar mit interaktiven Übungen.
Spannend und hilfreich sind auch sogenannte Self Assessment-Center. Wie der Name schon sagt, bieten Sie die Möglichkeit, ohne echten Stress virtuelle Erfahrungen über sich selbst zu sammeln – ohne echte Beobachter oder Gruppenteilnehmer. Einfach einmal „Self Assessment“ googeln – die ersten 3 Dutzend Treffer kommen dann von den Universitäten (wie z.B. www.studiengangstest.de mit gleich einem Dutzend Studiengängen).
Auf www.cyquest.de findet sich eine Vielzahl kostenloser und unverbindlicher Self-Assessment-Center und Karriereportale unterschiedlichster Unternehmen von der der Allianz über Commerzbank, Edeka, Peek & Cloppenburg, PWC und Lufthansa bis zu Unilever – klicken und Ausprobieren ist angesagt!
Gerade Standards wie die Postkorbübung werden im Internet als Übungspakete angeboten – einzeln oder im Set, neutral, angeblich branchenspezifisch oder sogar von bestimmten Unternehmen. Unabhängig davon, dass die Wahrscheinlichkeit, exakt auf die angebotene Version auch im AC zu stoßen, recht gering ist – für die zum Teil happigen Preise bekommen Sie mindestens ein sehr gutes Buch, das dann das gesamte Thema abdeckt und nicht nur eine Einzelübung.
Was kannst und was willst du werden?
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